Bei jedem Wetter Seenotretter - Die Arbeit der DGzRS
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Inhalt dieser Podcast-Folge
In dieser Episode sind wir zu Gast bei der DGzRS – den Seenotrettern in Bremen. Gemeinsam mit Christian Stipeldey, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des maritimen Such- und Rettungsdienstes auf Nord- und Ostsee.
Wir sprechen über den Alltag an Bord der Rettungskreuzer, die Alarmierungswege, die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und die besondere Rolle der DGzRS als unabhängiger, ausschließlich spendenfinanzierter Rettungsdienst. Christian nimmt uns mit in bewegende Einsätze, erzählt von kuriosen Rettungsaktionen und erklärt, wie man überhaupt Seenotretter wird.
Eine spannende Folge für alle, die wissen wollen, wie professionelle Seenotrettung funktioniert – 365 Tage im Jahr, bei jedem Wetter.
#Seenotretter #DGzRS #EinsatzbereitPodcast #Katastrophenschutz #Rettungsdienst #SearchAndRescue #SAR #Nordsee #Ostsee #MaritimeSafety #Blaulicht #Ehrenamt #Schiffbrüchige #PodcastDeutschland #Rettungskräfte
Begriffe / Abkürzung
DGzRS
Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger
Der private, spendenfinanzierte Seenotrettungsdienst für Nord- und Ostsee. Betreibt die Rettungseinheiten und die Seenotleitstelle See.
SAR
Search and Rescue (Suche und Rettung)
Internationaler Begriff für den Such- und Rettungsdienst. Steht groß an den Schiffen, beschreibt den Kernauftrag: Menschen aus Seenot retten.
MRCC
Maritime Rescue Coordination Center
Internationale Bezeichnung für eine Seenotleitstelle. Hier: Die deutsche Rettungsleitstelle See in Bremen, wo alle Notrufe auflaufen und Einsätze koordiniert werden.
DLRG
Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft
Große Wasserrettungsorganisation an Küsten/Binnengewässern. Sichert u. a. Strände mit Rettungsschwimmern ab. „DLG“ im Transkript ist erkennbar ein Verschreiber für DLRG.
DRK
Deutsches Rotes Kreuz
Hilfsorganisation; hier erwähnt wegen der DRK-Wasserwacht, die ebenfalls Wasserrettung betreibt.
THW
Technisches Hilfswerk
Bundesanstalt für technischen Katastrophenschutz. Dient im Gespräch als Vergleich: staatliche, steuerfinanzierte Behörde mit Ehrenamtlichen – im Gegensatz zur spendenfinanzierten DGzRS.
OSC
On Scene Coordinator
„Einsatzleiter vor Ort“ auf See. Meist ein Schiff, das im Such- und Rettungsgebiet alle beteiligten Einheiten koordiniert.
IMO
International Maritime Organization
UN-Sonderorganisation für Regeln der Seeschifffahrt. Über die IMO bezieht man z. B. das internationale SAR-Handbuch (IAMSAR).
IAMSAR (im Text als „Jamsa-Manual“ ausgesprochen)
International Aeronautical and Maritime Search and Rescue Manual
Internationales Handbuch, das standardisiert, wie Luft- und Seerettungsdienste (SAR) zusammenarbeiten, suchen, koordinieren.
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
Hier: ARD-Dokuserie / ARD-Mediathek über die Seenotretter.
PS
Pferdestärke
„Alte“ Einheit für Motorleistung (wird im Schiffskontext noch oft genutzt). Hier: 6.000–10.000 PS für große Seenotrettungskreuzer.
Links:
- Karriere / Jobs bei den Seenotrettern: https://www.seenotretter.de/jobs
- Infos zur Seekrankheit https://www.seenotretter.de/seekrankheit
- Besichtigungen / Besuchsmöglichkeiten https://www.seenotretter.de/besichtigung
Hosts:
Frank Nägler Manuel Behrenbruch
Einsatzbereit - Der Katastrophenschutz-Podcast
Transkription dieser Folge
Manuel Behrenbruch | 00:00:44 Einsatzbereit der Katastrophenschutz-Podcast. Ich bin Manuel.
Frank Nägler | 00:00:47 Und ich bin Frank. Hallo zusammen.
Manuel Behrenbruch | 00:00:49 Wir sind heute in Bremen unterwegs und wir sitzen hier gerade bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Also bei den Seenotrettern und unser Gast ist heute Christian Stippeldey und ich bin sehr, sehr gespannt, was daraus wird, weil wir haben, Frank, wir haben eben schon gesprochen, das ist mal eine Folge, von der wir persönlich auch wirklich nicht so viel Hintergrundwissen bisher haben.
Frank Nägler | 00:01:09 Genau und eine sehr interessante Organisation, wo wir uns oder ich zumindest mich im Vorwege nicht mit beschäftigt habe, also nicht intensiv. Natürlich kennt man sie aus dem Alltag.
Manuel Behrenbruch | 00:01:17 Man kennt die Schiffchen.
Frank Nägler | 00:01:19 Man kennt die Schiffchen, genau, die Spendenboote. Ja, aber ansonsten relativ unbeleckt, wie man so schön sagt. Ja,
Manuel Behrenbruch | 00:01:24 genau. Obwohl wir schon ewig in der Blaulichtwelt unterwegs sind, ist das etwas, wo ich mich wirklich besonders freue, da ganz viel drüber zu erfahren heute. Ja, und wie gesagt, wir sitzen mit Christian Stiepeldey hier und das ist der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, seit mehr als 15 Jahren dabei. Und ich glaube, er weiß noch sehr viel mehr, was er gerne selber sagt. Danke, dass wir hier sein dürfen.
Christian Stipeldey | 00:01:43 Ja, moin und herzlich willkommen bei den Seenotrettern in der Zentrale der DGZRS in Bremen.
Manuel Behrenbruch | 00:01:47 Frank, du startest, glaube ich, mit deinen Fragen.
Frank Nägler | 00:01:50 Ja, ich denke auch. Das ist immer ganz schön am Anfang und wir haben mich ja schon kurz vorbereitet und deswegen legen wir direkt los. Tee oder Kaffee?
Christian Stipeldey | 00:01:58 Tee.
Frank Nägler | 00:01:59 Warum Tee?
Christian Stipeldey | 00:02:01 Ich würde mal sagen, an Bord der meisten unserer Seenotrettungskreuzer wird Tee getrunken. Einige werden jetzt sagen, bei uns aber Kaffee. Aber gerade in Ostfriesland, Gründungsland der Seenotretter, kommen wir vielleicht noch drauf, wo viele Bestrebungen von ausgingen vor über 160 Jahren. Ist das Teetrinken weit verbreitet und auch die Teezeremonie an Bord ist heilig? Natürlich so, wie sich das Ostfriesisch gehört, mit Kluntje, nicht umrühren und Sahne.
Manuel Behrenbruch | 00:02:25 Das wollte ich schon immer mal probieren.
Frank Nägler | 00:02:26 Mit Sahne vor allem, da gruselt es mich ein wenig, aber okay.
Manuel Behrenbruch | 00:02:30 Aber eigentlich ist es schon der Kaffee im
Frank Nägler | 00:02:32 Rettungsbereich. Für mich sowieso, ja. Ich trinke keinen Tee normalerweise, außer ich bin krank. Reisen oder zu Hause?
Christian Stipeldey | 00:02:40 Reisen, auch dienstlich. Ich bin sehr gerne an der Küste unterwegs und nutze jede Gelegenheit auch. unsere Stationen zu besuchen und mit Journalistinnen und Journalisten oder auch Podcasterinnen und Podcastern da zu sein. Den Kontakt zur Flotte zu halten, ist für uns ganz wichtig. Es vergeht aber auch aus dem Büro heraus eigentlich keinen Tag oder aus dem Homeoffice, wenn man das mal selten macht, keinen Tag, an dem man nicht auch Kontakt zu einer unserer Stationen hat.
Frank Nägler | 00:03:03 Fahrrad oder Auto?
Christian Stipeldey | 00:03:04 Fahrrad.
Manuel Behrenbruch | 00:03:05 Ja, vernünftig.
Frank Nägler | 00:03:06 Der sportliche Typ. Sehr schön.
Manuel Behrenbruch | 00:03:08 Wobei ich das als Außendienstler sage.
Christian Stipeldey | 00:03:10 Ich muss natürlich oftmals das Auto nehmen. Ich sage mal, einmal saßen wir jetzt hin und zurück. Das sind schon 1000 Kilometer. Also an die Küste komme ich tatsächlich schlecht mit dem Fahrrad. Aber ich nehme das Fahrrad tatsächlich auf dem Heckträger manchmal gerne mit. Und dann hat auch mein Auto, wie jeder gute Seenotrettungskreuzer, ein Tochterboot. Mit dem Fahrrad kommt man nämlich an der Küste oftmals dann die letzte Meile viel besser voran.
Manuel Behrenbruch | 00:03:29 Tochterboot, das müssen wir auf jeden Fall schon mal aufklären. Da habe ich schon die erste Frage für heute. Hattest du noch eine Frage? Ja, wir haben noch zwei.
Frank Nägler | 00:03:35 Stadt oder Dorf?
Christian Stipeldey | 00:03:36 Stadt.
Frank Nägler | 00:03:38 Ihr Stadtmensch?
Christian Stipeldey | 00:03:39 Ja, ich bin in einer Mittelstadt aufgewachsen tatsächlich, 70.000 Einwohner und Bremen ist, sagt man ja auch, ein Dorf mit Straßenbahn. Aber das Städtische in Bremen gefällt mir sehr und ich bin sehr froh, dass ich auch viele private Kontakte in Bremen habe und hier nicht nur arbeite.
Frank Nägler | 00:03:53 Sehr schön. Dann die letzte. Komödie oder Krimi?
Christian Stipeldey | 00:03:56 Komödie.
Manuel Behrenbruch | 00:03:58 Okay, gut. Kann ich alles nachvollziehen. Ja. Dann haben wir da schon mal einen kleinen Einstieg und ich habe mir mal so überlegt, wenn unser Podcast nur 30 Sekunden lang wäre und Sie jetzt die Möglichkeit hätten, mal 30 Sekunden lang zu erklären, was die DGZHS ist und macht, wie würde das so klingen?
Christian Stipeldey | 00:04:13 Die Seenotretter sind seit mehr als 160 Jahren zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst auf Nord- und Ostsee. Wir helfen allen da draußen, wir lassen da draußen niemanden allein. Von der Großschifffahrt bis zum Trendwassersportler sind alle... in der Lage, uns zu alarmieren, um Hilfe zu bitten. Und wir retten ohne Ansehen der Person und Ursache. Und das Ganze tun wir freiwillig, unabhängig und spendenfinanziert. Bei jedem Wetter seit 1865 auf Nord- und Ostsee. Wie gehe ich gut in der Zeit?
Manuel Behrenbruch | 00:04:39 Das war der Podcast für heute. Ich glaube, das wird alles erklärt.
Frank Nägler | 00:04:42 Ich wollte gerade sagen, dann können wir jetzt einpacken.
Manuel Behrenbruch | 00:04:44 Aber da waren tatsächlich schon ein paar Sachen dabei, die vielleicht gar nicht jedem so bewusst sind. Jetzt ist mir schon mal aufgefallen, dass wir nur auf den Meeren unterwegs sind, nicht auf einem großen See zum Beispiel. Alles Dinge, über die wir mit Sicherheit noch mal reden können. Vielleicht noch ein bisschen was zu Ihnen. Die sagte, Leiter der Presse und Öffentlichkeitsarbeiter hat 15 Jahre oder mehr als 15 Jahre dabei. Was dürfen wir noch über Sie erfahren?
Christian Stipeldey | 00:05:04 Ich habe mit den Seenotrettern schon, ich muss mal überlegen, seit 1994 verbunden. Also schon deutlich länger, schon mehr als 30 Jahre. Ich habe angefangen als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Binnenland, in der Öffentlichkeitsarbeit, unsere Sammelschiffchen zu betreuen. Von denen war ja gerade anfangs auch schon mal kurz die Rede. 13.000 Stück gibt es davon im ganzen Land. An ganz ungewöhnlichen Orten auch, auf hohen Bergen und in tiefen Bergwerken. Sie fahren über die Meere, sie waren schon fast überall, möchte man meinen. Ich habe dann angefangen, Filmvorträge zu halten, auf Ausstellungen, Messen und Veranstaltungen die Seenotretter zu vertreten. Denn das ist auch was Besonderes an unserer Arbeit. Wir machen keine Haus- und Straßensammlungen. Man trifft niemanden, den wir in irgendwelche Jacken stecken und das bezahlte Menschen sind, sondern das sind immer Ehrenamtliche, die im ganzen Land unterwegs sind. Und das macht es eben auch nur so möglich, dass das so freiwillig, unabhängig und spendenfinanziert zu vergleichsweise geringen Kosten funktioniert seit 160 Jahren.
Frank Nägler | 00:05:57 Zu unserer eigenen Erfahrung wissen wir, Ehrenamt geht nicht auch ohne Hauptamt. Wie ist da so die Verteilung?
Christian Stipeldey | 00:06:03 Auf See haben wir 180 Festangestellte und rund 800 Freiwillige, die also in der Flotte tätig sind. Und wir haben an Land etwa 120 Festangestellte und 700 Ehrenamtliche. Und die 120 Festangestellten an Land, wenn man da mal alles von abzieht, was Nautiker und Techniker sind und Dinge, die jedes Unternehmen haben muss, Lohnbuchhaltung und so weiter, dann bleibt da nicht viel mehr übrig als eine Fischerkarte. Also das ist schon spitz auf Knopf gerechnet. Auch da, auch wir haben in unserem Arbeitsbereich in der Öffentlichkeitsarbeit nahezu jeden Tag Kontakt mit Ehrenamtlichen oder mit unseren freiwilligen Rettungsleuten, die an Land natürlich auch, dadurch, dass sie über das reden, was sie tun, auch Öffentlichkeitsarbeit machen. Man muss tatsächlich in dieser Organisation lange jemanden suchen, der hier nur seinen Job macht. Gibt es auch, aber die meisten machen deutlich mehr, als sie nach Arbeitsvertrag machen müssten. Es ist eine hohe Identifikation dabei, das gilt für unsere Kolleginnen und Kollegen auf See, genauso wie für die Leute an Land.
Manuel Behrenbruch | 00:06:57 Und das seit 1865, wenn ich richtig gegoogelt habe. So ist es,
Christian Stipeldey | 00:07:01 160 Jahre alt geworden in diesem Jahr. Und immer unter diesem Namen, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Manuel Behrenbruch | 00:07:07 Gab es damals einen Auslöser zur Gründung oder weiß man das?
Christian Stipeldey | 00:07:10 Wenn wir uns gedanklich in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückbegeben, dann ist das eine Zeit, in der geschätzt, denn es gab noch keine Schiffbruchstatistik, die hat unsere Organisation dann erst eingeführt. Geschätzt etwa jedes Jahr 50 große Schiffe, in der Regel Frachtsegler, vor den Inseln der deutschen Nordsee gescheitert sind mit ihren Besatzungen. Man hat immer schon punktuell gerettet. Also die Geschichten, die man immer hört, dass falsche Feuer gesetzt worden sind oder so und piratenhaft irgendwie Schiffe stranden gelassen worden sind, dafür gibt es tatsächlich keine historischen Belege. Es gibt im Gegenteil Belege, dass die Küstenbevölkerung vereinzelt immer geholfen hat. Aber das Ganze ist nicht organisiert abgelaufen. Die Küstenbevölkerung hat fatalistisch am Stand rumgestanden und hat gesagt, ja, wer sich auf See begibt, begibt sich in Gottes Hand. Was können wir als kleine Menschen hier am Strand dann daran ändern? Das war ja schon immer so. Und wir haben zwar hier ein Boot, aber mit dem Boot müssen wir unsere Familie ernähren. Das können wir gar nicht aufs Spiel setzen. Aber wir können mit diesem Boot sowieso gar nicht durch die Brandung stoßen. Das funktioniert ja gar nicht. Also viele Gründe, aus denen man eben nicht strukturiert geholfen hat. Und das hat dann innerhalb weniger Jahre zu einem Umdenken geführt in der Mitte des 19. Jahrhunderts, weil Binnenländer gesehen haben, dass die Küstenbevölkerung da so am Strand steht und mit den Schultern zuckt und sich das nicht erklären konnten. Die aufklärerischen Gedanken, die sich im Binnenland schon schneller durchgesetzt hatten als bei der bitterarmen Küstenbevölkerung, die ja auch noch das Strandrecht lebte, also das Recht, alles in Besitz zu nehmen, was kein Besitzer mehr hatte und was das Meer an den Strand spülte. Die musste man erstmal überzeugen, dass das auch anders geht. Und das waren letztlich dann drei Gründerväter unserer Organisation, die das geändert haben. Einer, der die ersten Aufrufe veröffentlicht hat, einer, der den ersten regionalen Verein gegründet hat und einer, der dafür gesorgt hat, dass sich diese regionalen Vereine zu einer gesamtdeutschen Organisation zusammengeschlossen haben. Und sie haben nach Auslösern gefragt. Zwei große Schiffsunglücke waren das. 1854 vor Spiekeroog. Ein Schiff mit über 200 Menschen an Bord, von denen 84 ums Leben gekommen sind. Man sieht, es haben einige überlebt. Die Insulaner haben geholfen, so gut sie konnten in der Brandung. Und damals, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, gab es keinen Badetourismus auf den Inseln. Das war im November 1854. Die letzten Überlebenden haben erst im nächsten Frühjahr Spiekhoog wieder verlassen, nachdem sie gesund gepflegt worden sind. Das sind Verhältnisse, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Und sechs Jahre später ist ein weiteres Schiff vor Borkum gestrandet. Und dort sind nur neun Seeleute ums Leben gekommen, aber ein erster Badegast auf Borkum hat darüber berichtet, anonym, in einer Tageszeitung und hat das angeprangert. Und das hat wiederum einen unserer Gründerväter auf den Plan gerufen, nicht mehr anonym, sondern namentlich dazu aufzurufen, strukturierte Einrichtungen zur Rettung Schiffbrüchiger auch in Deutschland. zu schaffen. Was in Deutschland entsprechend länger gedauert hat als in einigen anderen europäischen Staaten, das liegt auch an der staatlichen Zersplitterung in Deutschland. Denn wenn man mal zurückdenkt, es gab noch kein national geeintes Deutschland. Die Reichsgründung war erst 1871, sechs Jahre nach unserer Gründung. Also auch das ist ziemlich erstaunlich, dass das geklappt hat, ein gesamtdeutsches Rettungswerk für die Küsten zu schaffen, so weit schon vor der nationalstaatlichen Einigung.
Manuel Behrenbruch | 00:10:18 Als Flagge, wenn man das so nennen kann, gibt es das Hansekreuz.
Christian Stipeldey | 00:10:21 Genau, das ist in Bremen hier auch auf den Marktplatz geflastert. Daher kennt man es hier in Bremen sehr. Es ist in den Ostseeraum gelangt, die Form des Kreuzes durch die Missionierung. Kreuze haben ja meistens was mit christlichem Glauben zu tun. Und in dieser Form, rot und weiß, es ist in die Siegel der Hansestädte und auf die Segel der Hanseschiffe gelangt. Das war immer ein Zeichen des Friedens, das ist nie kriegerisch benutzt worden. Und auf der Suche nach einem Symbol für dieses neue Rettungswerk zur See. hat man dieses hansische, in der Schifffahrt bekannte Zeichen verbunden mit dem neuen humanitären Zeichen des Roten Kreuzes, was nämlich ein Jahr vor uns gegründet worden ist in Genf, das internationale Rote Kreuz 1864.
Manuel Behrenbruch | 00:10:59 Das ist dir direkt aufgefallen, ne? Das wusste ich sogar tatsächlich vorher schon. Ach was,
Christian Stipeldey | 00:11:03 okay. Also aus dieser Zusammenschau heraus kann man eigentlich sagen, man hätte kaum ein geeignetes Symbol finden können, was eben auch Seeleuten und natürlich auch Kaufleuten, die, ja. die Gründung auch eng begleitet haben, der DGZRS, weil sie natürlich ein Interesse an sicheren Seewegen hatten, für den Handel, der ja auch nicht gestört werden sollte und sicher sein sollte für die Besatzung dieser Schiffe, was auch den Kaufleuten, also auch Spendern signalisierte, worum es hier eigentlich gehen soll.
Manuel Behrenbruch | 00:11:29 Okay.
Frank Nägler | 00:11:29 Wir haben ja eben schon über die Anzahl der Mitglieder gesprochen. Wie groß ist denn die Flotte an Schiffen?
Christian Stipeldey | 00:11:36 Wir haben 60 Rettungseinheiten in Nord- und Ostsee im Einsatz. Das geht los bei acht Metern etwa. Kleines Seenotrettungsboot. typische freiwillige Station bis zu etwa 10, 11 Metern. Neuer 12, 13 Meter langer Typ ist gerade in der Entwicklung. Das sind die Schiffe, die nicht rund um die Uhr besetzt sind, macht zwei Drittel unserer Flotte aus und vier Fünftel unserer Mannschaften. Diese Besatzungen werden so alarmiert, wie sie das von freiwilligen Feuerwehrleuten her kennen.
Manuel Behrenbruch | 00:12:01 Ah, okay, da gibt es schon mal einen Unterschied. Es gibt Schiffe, Schiffe, Boote, ist das richtig?
Christian Stipeldey | 00:12:05 Ja, bei denen würde man jetzt noch Boote sagen. Also es gibt Boote,
Manuel Behrenbruch | 00:12:07 die liegen irgendwo breit. So wie ein Rettungswagen oder eine Feuerwache. Und es gibt welche, wo wirklich auf dem Schiff dann vermutlich jemand wohnt.
Christian Stipeldey | 00:12:15 Genau, die Ersteren werden sozusagen so besetzt, wie man das von freiwilligen Feuerwehren her auch kennt. Also die Alarmierung erfolgt in der Freizeit oder am Arbeitsplatz. Und man muss innerhalb weniger Minuten am Hafen sein, Überlebensanzug, Rettungsweste anlegen, Schiff besetzen, rausfahren. Das ist in der Regel innerhalb von weniger als zehn Minuten erledigt. Weil die Leute, das ist die Hauptvoraussetzung für freiwillige Seenotretter, Wohnortnähe. dann auch schnell beim Hafen sein können. Ein Drittel unserer Flotte ist rund um die Uhr besetzt. Das sind die größeren Seenotrettungskreuzer, die mit dem Tochterboot hinten drauf, da haben wir den Begriff wieder, dass sie alle huckepack mit sich herumtragen. Und da sind in der Regel vier, auf den größeren Schiffen etwas mehr, aber das sind Ausnahmefahrzeuge, in der Regel vier Seenotretter rund um die Uhr an Bord, leben und arbeiten, 14 Tage Dienst, 14 Tage frei. Aber nicht zwei wechselseitige Besatzungen, sondern jede Woche wechselt die Hälfte der Besatzung, sodass jeder mit jedem auch klarkommt. menschlich klarkommt, aber auch weiß, was der andere kann. Denn im Einsatz, Einsätze der Seenotretter dauern oftmals Stunden, das ist nicht so schnell erledigt, wie er nannt. Im Einsatz kann ja auch was passieren. Man muss nicht gleich an das Schlimmste denken, aber man kann sich auch verletzen und seine Aufgaben vielleicht nicht mehr so ausfüllen, wie das eigentlich geplant ist. Das heißt auch der Vormann, Stichwort Vormann, Kapitän von der Qualifikation her, auch der muss die Maschinen bedienen können und der Maschinist muss das Schiff sicher wieder in den nächsten Hafen fahren können.
Frank Nägler | 00:13:35 Und sind das dann Hauptamtliche oder auch Ehrenamtliche?
Christian Stipeldey | 00:13:38 Das sind Festangestellte, genau, 180. Also 90 von denen sind immer auf Wache sozusagen und 90 haben frei. Also die,
Manuel Behrenbruch | 00:13:44 die auf dem Schiff wohnen, das sind dann Hauptamtliche.
Christian Stipeldey | 00:13:47 Genau, aber auch auf diesen Stationen gibt es Freiwillige, die zur Ergänzung hinzukommen, aber wenn sie dort ihren Dienst machen, eben nicht hinzukommen, wenn der Alarm kommt, sondern dann, wenn jemand krank ist, auf Lehrgang ist, nicht da ist, ersetzt werden muss, dann auch eine Woche oder zwei ganz normal den Dienst mitgehen und auch mit an Bord leben.
Manuel Behrenbruch | 00:14:03 Okay. Ich würde gerne nochmal einen kleinen Schritt zurückgehen. Wir haben ungefähr vor ein paar Monaten oder vor drei, vier Monaten telefoniert, als wir das vereinbart haben und ich gefragt habe, ob wir so eine Folge aufnehmen dürfen. Da war die erste Info, ich habe uns erklärt, wir machen Katastrophenschutz-Podcast und haben viele Hilfsorganisationen, die wir mit Gesprächen führen. Dann war ihre erste Antwort, wir sind keine Hilfsorganisation und wir machen auch keinen Katastrophenschutz.
Christian Stipeldey | 00:14:24 Ganz so barsch habe ich das glaube ich nicht formuliert. Nein, das haben Sie nicht, das stimmt. Eher erläuternd, weil ich damit erfragen wollte, ob wir überhaupt in das Interessengebiet hineinpassen. Was uns ja freut, dass wir da hineinpassen. Ja, in der Tat ist die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in verschiedener Hinsicht etwas sehr Besonderes. Wir sind kein eingetragener Verein. Auf unserem Briefpapier steht rechtsfähiger Verein, Kraft staatlicher Verleihung, so heißt das tatsächlich. Das liegt daran, dass wir 35 Jahre älter sind als das bürgerliche Gesetzbuch. Das hat es nämlich erst im 19. Jahrhundert aus der Taufe gehoben, wo da wurde auch der Status eines... eingetragenen Vereins geschaffen, hat heutzutage allerdings kaum Auswirkungen. Wir sind genauso berechtigt, steuerabschlussfähige Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Wir sind genauso bevorteilt, dass wir keine Erbschaftssteuer zahlen müssen, wenn uns jemand seinen Nachlass zugedenkt. Wir sind von der Energiesteuer befreit, also bunkern steuerfreien Diesel. Wir haben alle diese Vorteile, die der Staat ja Organisationen gewährt, die ja bevorteilt werden sollen, weil sie gesellschaftlich relevante Aufgaben wahrnehmen. Also das Das trifft uns nicht anders. Da sind wir genauso aufgestellt. Aber wir sind eben ein sogenannter altrechtlicher Verein. Wir waren schon immer da, sozusagen. Und tatsächlich haben wir als Hilfsorganisation begonnen, aber ... Dadurch, dass das politische Gemeinwesen, in dem wir heute alle zusammenleben, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, die ja auch deutlich jünger ist als die DGZS, uns im Zuge der internationalen Verpflichtungen, die über die Jahrzehnte hinzugekommen sind und die Ratifizierung entsprechender Verträge, die hoheitliche Zuständigkeit für die Aufgabe Suche und Rettung auf See übertragen hat, sind wir tatsächlich keine Hilfsorganisation, die irgendwo hinzukommt, wo der Staat allein nicht genug Mittel hätte. Nein, wir sind ein Rettungsdienst und zwar ein umfänglicher Rettungsdienst mit Garantenfunktion. Dem einen oder anderen, der hier zuhört, wird das sicherlich etwas sagen. Das kennt man auch im Rettungsdienst. Wir haben dem Staat zugesichert, dass wir unter allen Umständen alle erdenklichen SAR-Einsätze, das steht am Bug aller unserer Schiffe in großem Buchstaben, Search and Rescue, Suche und Rettung, dass wir alle diese Einsätze meistern werden. Und zwar mit eigenen Mitteln. Dass wir dafür nicht um Geld bitten werden.
Manuel Behrenbruch | 00:16:22 Was sie dann unabhängig macht.
Christian Stipeldey | 00:16:24 Was uns unabhängig macht, was... unsere Freiwilligen motiviert, diesen Dienst auch zu tun, sich auch Gefahren auszusetzen nötigenfalls und was ganz viele Spenderinnen und Spender auch motiviert, für diese Aufgabe freiwillig Mittel zur Verfügung zu stellen. Das höre ich persönlich immer wieder, dass viele Menschen sagen, wenn der Geld vom Staat käme, dann wäre die Faszination für mich weg, dann würde ich nichts mehr geben, sodass wir eher der Überzeugung sind, dass wir unterm Strich dann weniger Geld hätten. Aber diese Unabhängigkeit hat natürlich ganz andere praktische Vorteile. Käme Geld vom Staat, wäre der Fuß der Mitsprache ganz schnell in der Tür. Dann würde der Staat vielleicht sagen, 30 Jahre sind rum, typische Einsatzzeit eurer Schiffe, ja schön, dass das für euch typisch ist, aber mein Zollkreuzer fährt ja auch noch nach 30 Jahren, warum wollt ihr denn schon ein neues Schiff bauen? Ich gebe ja Geld dazu, also möchte ich mitreden. Solchen Diskussionen sind wir nicht ausgesetzt. Wir können selbst entscheiden, wie wir den Rettungsdienst organisieren. Es gibt niemanden, der uns sagt, wie wir Suche und Rettung zu machen haben. In keiner Situation, auch in Großschadenslagen nicht, das verantworten wir immer selbst. eigenverantwortlich tätig. Nicht nur unabhängig, sondern auch eigenverantwortlich. Und das hat eben diese Vorteile, dass wir, wenn wir sagen, wir brauchen ein neues Schiff, dass wir das frühzeitig erkennen, frühzeitig planen. Und wenn wir das einmal geplant haben, dass das ein Jahr später auch fertig ist.
Manuel Behrenbruch | 00:17:34 Ja, auf jeden Fall. Kann ich mir gut vorstellen. Wobei ich denke, dass es auch, ich weiß nicht, was ein Schiff kostet, aber eine Menge.
Christian Stipeldey | 00:17:40 Also das hängt natürlich ganz von der Größe ab. Wir haben ja die Bandbreite gerade noch gar nicht zu Ende gesprochen. Wir waren so bei acht bis zwölf Metern gelandet, was die freiwilligen Einheiten betrifft. Die Seenotrettungskreuzer sind zwischen 20 und 46 Metern lang. Das geht dann in wenigen Ausnahmen hoch bis zu 6.000 bis 10.000 PS. Leistung, drei Maschinen, die da an Bord sind, das sind schon ausgewachsene Seeschiffe. Und so ein Schiff neu zu bauen, ist natürlich deutlich aufwendiger. Und das kann man jetzt auch gar nicht beziffern, was das heute kosten würde, denn das machen wir ja nur ganz selten bei einer durchschnittlichen Dienstzeit von 30 Jahren, die ich gerade angesprochen habe. Aber ein kleines Seenotrettungsboot ist auch nicht billig zu haben. Wenn wir jetzt ein 10-Meter-Boot nehmen, davon haben wir über 30 im Einsatz. typische Einheit unserer freiwilligen Flotte, da muss man gut eine Million hinlegen oder musste man vor einigen Jahren, als wir das letzte neu gebaut haben. Jetzt haben wir eine neue Klasse in der Entwicklung, da wissen wir noch gar nicht, was da unterm Strich stehen wird, weil das auch erstmal ein Prototyp sein wird und Serienfahrzeuge vermutlich dann günstiger werden.
Manuel Behrenbruch | 00:18:35 Dann gehen wir doch mal so ein bisschen auf, versuchen wir mal den Alltag mal zu erläutern, weil das ist das, wo ich noch so die größten Lücken habe. Also jetzt haben wir ja verstanden, es gibt welche, das ist ein guter Vergleich mit die werden alarmiert wie eine freiwillige Feuerwehr, das liegt. Im Wasser nehme ich dann an, bereit, die anderen schlafen.
Christian Stipeldey | 00:18:49 Meistens. Es gibt wenige, die wir tatsächlich in festen Stationsgebäuden haben. Die liegen auf Spezialtrailern und haben einen Traktor als Zugmaschine. Und die setzen wir dort ein, wo wir sowohl zu offenen See als auch zu den rückwärtigen Boddengewässern in Mecklenburg-Vorpommern einsatzklar sein müssen. Wo wir also feste Stationsgebäude auf der Halbinsel haben und für beide Reviere zuständig sind.
Frank Nägler | 00:19:10 Wie läuft denn so eine Alarmierung ab? Also klar, es klingelt ein Telefon oder es klingelt vielleicht auch ein Melder, aber wie geht es dann weiter?
Christian Stipeldey | 00:19:17 In der Regel muss die Seenotretter ja erstmal jemand alarmieren, bevor die hier in diesem Haus befindliche deutsche Rettungsleitstelle See, die wir auch betreiben, dann unsere Rettungseinheiten alarmiert. Also in der Regel muss ja erstmal ein Notruf reinkommen. Wer das von früher her kennt, kennt vielleicht noch Norddeich Radio, die letzte deutsche Küstenfunkstelle. 1998 geschlossen worden von der Telekom, die sie zuletzt betrieben hat, früher die Bundespost. Früher gab es also Küstenfunkstellen, mehrere, Elbe-Weser-Radio, Kiel-Radio, Rügen-Radio, zuletzt eben Norddeich-Radio, wo alles hin aufgestaltet war. Und diese Küstenfunkstellen haben den gesamten Seefunkverkehr vermittelt, also Funkgespräche vermittelt, über Radio, also für jedermann mitzuhören sozusagen. Und die haben auch die Notrufe hierher vermittelt zur Deutschen Rettungsleitstelle See, zu den Seenotrettern. Seit 1998, 1999, seit dem Jahreswechsel, nehmen wir die Hörwache selbst wahr auf den international einheitlichen Funkfrequenzen. Das heißt, die Notrufe kommen hier im Haus in demselben Raum an, wo dann auch koordiniert wird. Und das ist auch der Hauptalarmierungsweg, der... vorgeschrieben ist, über Seefunk tatsächlich zu alarmieren.
Manuel Behrenbruch | 00:20:18 Aber auch doch, also ich stelle mir das vor, jemand ruft die 112.
Christian Stipeldey | 00:20:22 Genau, dann erreicht er eine Landrettungsleitstelle und die leitet zu uns weiter. Sobald die hört, das ist auf See, weiß eine Landrettungsleitstelle, A, Rettungsleitstelle See, schnell mit Bremen verbinden.
Manuel Behrenbruch | 00:20:32 Okay, dann wie geht es dann weiter?
Christian Stipeldey | 00:20:35 Vielleicht nur einen Schritt vorher. Die Alarmierung kann natürlich auch auf anderen Wegen kommen. Es können Menschen am Strand was beobachten, was sie auf See komisch finden. Typischer Fall, ein Kitesurfer, der nicht mehr starten kann, der ist vielleicht gar nicht in Not, ruht sich nur aus. Trotzdem ist uns jeder Anruf hier natürlich lieber, als dass nicht angerufen wird und erstmal abgewartet wird und es ist vielleicht zu spät. Also da können wir auch nur dazu animieren, lieber einmal zu viel hier anzurufen, als nicht anzurufen. Das geht dann über Telefon. Es gibt andere Möglichkeiten natürlich, die Seenotretter zu erreichen. Aber Telefon oder auch E-Mail selbstverständlich ist kein Alarmierungsweg. Das ist in der Seeschifffahrt schon geregelt, was Alarmierungswege sind. Und jede Besatzung eines Seeschiffes weiß das natürlich auch, weil sie das in ihrer Ausbildung lernt. Und auch Wassersportler werden gut geschult in der Regel durch die Verbände und durch Sportbootschulen. wie sie die Seenotretter zu alarmieren haben. Wenn der Alarm dann erst einmal hier ist oder der Notruf hier ist, dann passiert hier in der Rettungsleitstelle See eine strukturierte Notrufabfrage, wie man das auch von Rettungsleitstellen an Land kennt. Und natürlich die unmittelbare Hilfszusage. Wenn die über Funk gegeben wird, antworten unsere Rettungseinheiten meistens knapp mit, wir kommen. Das, so heißt auch ein Kalender über die Seenotretter. Also das ist auch ein Satz, der natürlich schon versucht, viel Ruhe auszustrahlen. denn je... Je aufgeregter jemand ist, man darf nicht vergessen, auch ein kleines technisches Problem auf See kann schnell zu einer großen Gefahr werden. Man kann auf See nicht rechts ranfahren, so wie man das vom Straßenverkehr her kennt. Deswegen sind wir auch kein Pannendienst, sondern immer ein Rettungsdienst. Wenn man ein kleines technisches Problem hat und es kommt was Zweites hinzu, plötzlicher Wassereinbruch, kann ganz schnell eine lebensgefährliche Situation daraus entstehen. Oder die Umgebungsbedingungen verändern sich, Wind und Wetter verändern sich, die Helligkeit verändert sich. plötzlich dunkel. Ganz schnell kann das was anderes sein und man ist eben nicht so schnell wieder an Land. Die Distanzen auf See sind groß, man braucht mehr Zeit. Von daher würden wir nie vom grünen Tisch aus beurteilen, was das jetzt für eine Situation für denjenigen ist, der da um Hilfe ruft. Wir würden erstmal volle Lotte hinfahren, langsam zurück kann man immer noch sozusagen und sind auch ja überhaupt nicht darauf erpicht, dass der Notruf jetzt nach irgendwelchen standardisierten Regeln erfolgen muss. Natürlich lernen Seeleute, dass man im Im Fall der Lebensgefahr dreimal Mayday ruft, dreimal den eigenen Schiffsnamen ruft, aber wenn das nur zweimal oder einmal passiert und auch nur jemand Hilfe ruft oder Hallo ist da jemand, reagieren wir natürlich trotzdem, wenn wir das hier über Funk mitkriegen. Wir überwachen ja die gesamte deutsche Küste.
Manuel Behrenbruch | 00:22:56 Gibt es da, also es gibt ja auch Strände oder Strandbereiche, die zum Beispiel von der DLRG mit abgesichert sind oder auch von der Wasserwacht. Gibt es dann da Schnittpunkte oder läuft sowas dann parallel, wenn so Notrufe eingehen?
Christian Stipeldey | 00:23:06 Also Wasserretter sind wir ja gar nicht. Wir sind keine Rettungsschwimmer. Wir verlassen in der Regel unsere Schiffe nicht. Und wenn wir mit dem Wasser in Kontakt kommen, dann haben wir Überlebensanzüge an und professionelle Rettungswesten. Und das Wetter ist dann meistens so, dass uns die Fähigkeit schwimmen zu können vermutlich ohnehin nichts mehr nützt. Von daher sind wir im Wasserrettungsbereich nicht unterwegs. Aber wo unsere Seenotrettungsboote oder auch die Tochterboote der Seenotrettungskreuzer nicht mehr fahren können, da kann man im Prinzip zu Fuß gehen. Also so wenig Tiefgang haben die. Wir können mit denen bis auf den Strand fahren und es gibt natürlich Berührungspunkte zu Wasserrettern. DLRG meistens ja, aber längst nicht immer. Das DRK hat eine Wasserwacht, es gibt Wasserrettungseinheiten vom Arbeiter-Samariter-Bund, es gibt Feuerwehren, die Wasserrettungszüge haben. Das ist ganz unterschiedlich, das ist nicht so einheitlich geregelt wie der Bereich Seenotrettung, denn Wasserrettung gehört zur rettungsdienstlichen Zuständigkeit der Länder. Unsere Aufgabe, der maritime Such- und Rettungsdienst, ist aber eine Bundeszuständigkeit. Das heißt, wir sind ein Bundesrettungsdienst, so ähnlich wie die Bundespolizei See. Wir sind etwas anderes. Die treten nur nicht als Behörde auf, aber nehmen eine behördliche Aufgabe wahr.
Manuel Behrenbruch | 00:24:07 Also wie das Technische Hilfswerk im Grunde.
Christian Stipeldey | 00:24:10 Wobei das Technische Hilfswerk eben eine steuerfinanzierte Behörde ist sozusagen. Aber eben auch mit Ehrenamtlichen arbeitet, darf man nicht vergessen.
Manuel Behrenbruch | 00:24:18 Was machen, also ich stelle mir das jetzt mal so vor, die Menschen, die auf dem Seenotkreuzer leben, wie sieht denn deren Alltag aus? Weil die werden ja nicht einmal in der Stunde irgendjemanden retten.
Christian Stipeldey | 00:24:25 Die warten viel, aber nicht auf den Einsatz, sondern die Technik. Also sie sind viel damit beschäftigt, die aufwendige Technik instand zu halten. ständig zu trainieren, Handgriffe zu üben, die bei jedem Wetter sitzen müssen, immer wieder Dinge zu trainieren, auch mit neuen Kolleginnen und Kollegen, die da hinzukommen. Denn es findet natürlich auch eine ständige Qualifizierung, ein ständiges Training neuer Kolleginnen und Kollegen statt. Es scheiden ja auch jedes Jahr erfahrene Seen und Retter aus dem Dienst aus, sowohl bei den Festangestellten als auch bei den Freiwilligen. Also der Alltag ist viel damit beschäftigt, das ganze Schiff instand zu halten und die Technik zu klarieren. Kontrollfahrten zu machen. Nicht, weil wir irgendwie wie eine Behörde kontrollieren würden, ob jemand seine Rettungsweste dabei hat, sondern Kontrollfahrten, um das Revier zu kontrollieren. Unsere Seegebiete, insbesondere in der Nordsee, sind stark veränderlich. Die großen Flussmündungen von Ems, Jade, Weser und Elbe sind sehr stark veränderlich. Nach jedem Sturm mindestens ändern sich Fahrwasser schneller, als eine elektronische Seekarte aktualisiert werden kann, sodass man lieber selber einmal nachguckt. Denn man muss sich ja im eigenen Revier auch dann gut auskennen, wenn es auf dem schicken Bildschirm auf der Brücke mal dunkel wird. Also auch... mit Papier, Seekarte und Zirkel, sage ich jetzt mal ganz plakativ. Man muss das Revier sehr genau kennen, wo man noch hinfahren kann, bei welchem Wasserstand und das kann sich schnell verändern. Also das muss man ständig kontrollieren und die... Funktionen der eigenen Technik natürlich. Tochterbootmanöver, Feuerlöschmonitore, die Medizintechnik an Bord, Medikamente wollen ersetzt werden, Haltbarkeitsdaten, Verwendbarkeitsdaten laufen ab. Also an Bord ist immer was zu tun, wenn kein Einsatz kommt.
Manuel Behrenbruch | 00:25:55 Feuerlöschmonitore, das heißt die Boote und Schiffe werden auch zum Feuerlöschen eingesetzt oder können zumindest.
Christian Stipeldey | 00:26:00 Brandbekämpfung auf See ist nicht unsere vorrangige Aufgabe. Das ist eigentlich die Aufgabe der Verkehrszentralen, die für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs zuständig sind. Die unterhalten ja auch die großen Tonnenleger und Schlepper und die haben auch Feuerlöschanlagen, die haben starke Maschinen, mit denen man eine Pumpe betreiben kann und einen Löschmonitor versorgen kann mit Seewasser. Aber wir haben diese Anlagen eben auch, plakativ gesprochen, dafür, um Schiffbrüchigen den Weg freizuschießen. Also nicht um ein Feuer auf See endgültig zu löschen, sondern unsere Aufgabe auch dann zu ermöglichen, wenn es an Bord irgendwo brennt und Menschen in Lebensgefahr sind. Also ihnen die Flucht von Bord zu ermöglichen beispielsweise. Wenn unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Rettung aus Seenot von Menschenleben, erledigt ist, dann können wir natürlich auch technische Hilfe leisten, also unsere Brandbekämpfungsmöglichkeiten auch noch weiter einsetzen. Das tun wir auch, das hat man in diesem Jahr gesehen, vor wenigen Wochen bei einem Brand einer Segeljacht in der Lübecker Bucht, die wir dann tatsächlich auch gelöscht haben, nachdem die Menschen in Sicherheit waren. Das hat man vor einem Jahr gesehen, im Herbst 2024 bei dem brennenden Tanker Annika vor Kühlungsborn in der Ostsee. Da waren sechs Seeleute an Bord, die sich aufs Vorschiff geflüchtet haben und die wir erstmal da mit einem relativ kleinen Seenotrettungsboot darunter geholt haben und unmittelbar aus Lebensgefahr gerettet haben. Denn der gesamte Aufbau und auch das Freifallrettungsboot, was hinten auf einer schiefen Ebene liegt und eigentlich die Flucht von Bord ermöglichen soll für die Besatzung, waren vom Feuer schon betroffen. Die hatten gar keine andere Chance, als nach vorne sich zu flüchten. Die haben wir dann als erstes dort abgeborgen, aber gleichzeitig auch tatsächlich schon mit einem Seenotrettungskreuzer mit einer sehr leistungsstarken Feuerlöschanlage, 36.000 Liter pro Minute, dort schon mit der Brandbekämpfung begonnen.
Manuel Behrenbruch | 00:27:33 Und das sind aber jetzt wahrscheinlich Einsätze, die nicht so häufig passieren in der Größenordnung? Glücklicherweise, genau. Was ist denn so ein typischer Einsatz? Was passiert ständig?
Christian Stipeldey | 00:27:42 Der nächste.
Manuel Behrenbruch | 00:27:44 Ja, okay. Ich habe es befürchtet.
Christian Stipeldey | 00:27:45 Also einen typischen Einsatz gibt es eigentlich nicht. Seenotretter kennen a keine Saison und Jeder Einsatz ist anders, das kommt auch noch hinzu. Gerade, ich sagte ja schon, vom grünen Tisch aus beurteilen wir nichts. Gerade wenn man meint, so einen Einsatz schon mal gesehen zu haben, dann entwickelt er sich ganz anders, als man gedacht hat. Also von daher, die Erfahrung zeigt, Seenotretter, die länger dabei sind, zeigt, man sollte mit keinen Erwartungen daraus fahren. Das wird möglicherweise doch ganz anders. Natürlich hat man eine gewisse Erfahrung und Routine, gerade was die Handgriffe. Betrifft. Man legt schon mal Leinen für mögliche Schleppmanöver klar an Deck. Man bereitet Dinge vor. Man weiß durch die Alarmierung, dass vielleicht eine medizinische Indikation dazu kommt. Man weiß aber nicht, wie reagiert dieser Mensch tatsächlich? In welchem Zustand ist er wirklich? Also was muss gleich noch alles gemacht werden? Wie lange müssen wir jemanden versorgen? Muss der ganz schnell an Land? Brauchen wir noch einen Hubschrauber? Müssen wir einen Arzt einfliegen lassen? Haben wir schon einen dabei? Freiwillige Seenotärzte haben wir auch auf einigen Stationen. Also das kann so unterschiedlich sein. Und die Bandbreite oder... Ja, die Gründe für den Ruf nach den Seenotrettern, die sind wirklich sehr breit. Wir haben ja gerade schon ein paar Sachen gesagt. Feuer an Bord gehört zu den größten Gefahren auf See. Man denkt ja immer so, es ist ja rundherum Wasser, kann schon nichts passieren. Aber wenn es auf See brennt, auf einem Schiff brennt, dann brennen auch schnell viele verschiedene Materialien. Das kann giftige Atmosphären zufolge haben. Und der Platz wird schnell sehr begrenzt an Bord. Man muss schnell das Schiff verlassen. Und dann ist man tatsächlich vielleicht noch, entweder man ist selbst im Wasser oder man ist auf eine Rettungsinsel angewiesen. Also wirklich auf das letzte Stückchen, an dem man sich noch festklammern kann. Es gibt andere Indikationen, Sie sagten ja gerade schon, manche Dinge kommen glücklicherweise wirklich sehr selten vor, aber sie kommen immer wieder vor. Alle 10, 15 Jahre kommt es zu besonders herausfordernden, großen, sagt unsere Statistik, großen, umfangreichen Such- und Rettungsaktionen. Eine der umfangreichsten der letzten Jahre war die Kollision zweier Frachter in der Deutschen Bucht im Herbst 2023, ist jetzt zwei Jahre her. Die Verity und die Polesche sind dort zusammengestoßen und die Verity, das kleinere Schiff, 90 Meter lang etwa, ist in weniger als einer halben Stunde gesunken. Auch dort sechs Seeleute, die ins Wasser mussten, von denen nur zwei gerettet werden konnten. Und das war eine 18-stündige, mehr als 18-stündige Suche mit 25 Schiffen und acht Hubschraubern, die wir hier aus Bremen koordiniert haben. Und mit unserem größten Seenotrettungskreuzer Hermann Marwede vor Ort als Einsatzleiter vor Ort oder wie es in der Schifffahrt heißt, On-Scene-Koordinator OSC. vor Ort koordiniert haben, also alle Schiffe vor Ort gelenkt haben. Und das ist eben auch etwas Besonderes, dass wir nicht nur unsere eben schon angesprochenen 60 eigenen Rettungseinheiten lenken und führen im Einsatz, sondern dadurch, dass wir zuständig sind für alle Maßnahmen des Maritim-Such- und Rettungsdienstes in unseren Gebieten von Nord- und Ostsee, eben auch jedes zur Rettung geeignete Fahrzeug einsetzen. Das kann ein Kreuzfahrtschiff sein mit einer besonders hochgelegenen Brücke und viel nautischem Personal. Die kann man auch zum Einsatzleiter vor Ort machen, sodass sich die Rettungseinheiten tatsächlich aufs Retten konzentrieren können. Das kann ein Behördenfahrzeug sein, das kann ein Fischkutter sein, das kann auch mal ein Sportboot sein.
Manuel Behrenbruch | 00:30:36 Und die Koordinierung solcher Einsätze, die passieren aus dem Haus, in dem wir gerade sitzen. Also nicht vor Ort, es gibt ja unterschiedliche Philosophien, wie man Einsätze führt. Das heißt, vor Ort ist die Mannschaft aktiv und die rückwärtige Führungseinrichtung ist quasi hier im Haus.
Christian Stipeldey | 00:30:50 Vor Ort gibt es einen OSC und das ist kein Mensch, sondern OSC ist immer ein Schiff der Einsatzleiter vor Ort. Darauf sind ja dann mehrere Menschen, die diese OSC-Funktion ausführen. Das ist international standardisiert festgelegt im JAMSA, im International Aeronautical and Maritime Search and Rescue Manual. Also dafür gibt es tatsächlich international einheitliche Verbindlichkeiten, die jeder Such- und Rettungsdienst kennt und ausführt. Und nicht nur jeder Such- und Rettungsdienst. Es gibt im JAMSA auch einen Teil für Kauf- und Verteilschiffe, also ein kleines Büchlein, was ausrüstungspflichtig jedes Schiff mit sich führen muss, sodass auch alle die irgendwie dort professionell unterwegs sind, nach gleichen Standards verfahren.
Manuel Behrenbruch | 00:31:32 Das ist mir völlig neu gewesen. Auf jeden Fall was für die Shownotes.
Christian Stipeldey | 00:31:36 Die ganzen Abkürzungen. Ja, die Samhsa ist sehr teuer. Das kann man nicht einfach so kaufen im Buchhandel. Das kann man nur über die internationale Sischwarz-Organisation, die IMO, tatsächlich beziehen. Das ist also nichts für Sportboote, sondern tatsächlich für Profis, die auf See ständig unterwegs sind. Aber Sie fragten ja gerade, koordinieren. Ja, in der Tat, wenn Suchgebiete berechnet werden müssen, Suchkurse bestimmt werden müssen, das machen wir hier tatsächlich im MRCC. Das ist der Internationaler Begriff für die Rettungsleitstelle See, Maritime Rescue Coordination Center. Und das befindet sich hier unter uns tatsächlich. Wir sitzen gerade über den Kollegen in dem Zimmer, oder Zimmer ist ein bisschen zu wenig gesagt, in dem großen Raum, in dem das Licht nie ausgeht, in dem also immer vier Leute hier auf Wache sind. Zwei, die koordinieren, einer, der die Hörwache macht auf den Notfunkfrequenzen und ein medizinischer Arbeitsplatz, ein Notfallsanitäter oder eine Notfallsanitäterin.
Manuel Behrenbruch | 00:32:24 Können wir da noch reingucken?
Christian Stipeldey | 00:32:26 Mindestens durch die Glasscheibe können wir gleich noch reingucken. Wir wissen nicht, wie die Einsatzlage ist, also versprechen kann ich das nicht.
Frank Nägler | 00:32:32 Aber Einsatzlage ist nochmal ein schönes Stichwort. Wie viele Einsätze gibt es dann für die DGZRS? Also ist das 100 am Tag oder 100 am Tag? Ich habe da auch null Gefühl für.
Christian Stipeldey | 00:32:42 Ungefähr in der Bandbreite. Es gibt Tage jetzt im Winter, da haben wir manchmal gar keinen Einsatz. Das kann vorkommen. Und es gibt auch Stationen, auf denen ist in einer 14-tägigen Wache vielleicht 13,5 Tage gar nichts los, einsatzmäßig. Damit muss man auch klarkommen. Man braucht auch ein Händchen für Menschenführung, wenn man zu viert auf 30 Quadratmetern zusammenlebt.
Manuel Behrenbruch | 00:32:58 Man muss sich ja auch irgendwie mögen oder man muss das tun. Genau, das muss gut passen. Man muss ja auch kochen. Also man schläft ja auch, da ist ja Tag und Nacht. Ja,
Christian Stipeldey | 00:33:05 genau. Es wird reihum gekocht, also Dosenfutter gibt es auch nicht. Es gibt sogar ein Seenotretter-Kochbuch mit Originalrezepten von Bord. Also da ist jeder mal dran.
Frank Nägler | 00:33:14 Und sind die dann tatsächlich 14 Tage auch auf? See oder liegen die irgendwo am Land und warten darauf, dass es losgeht?
Christian Stipeldey | 00:33:18 Genau. Seenotretter kommen immer hafenbasiert zum Einsatz, sind keine Meerwachenschiffe. Das ist auch in anderen Ländern so. Das ist so ein bisschen wie im amerikanischen Rettungsdienst Load and Carry. Also hinfahren, holen, erst versorgen, möglichst schnell in die Obhut des Landrettungsdienstes an Land bringen. Aber Sie hatten ja gerade gefragt, das andere Extrem sozusagen. Also es kann mal sein, dass es gar keinen Einsatz am Tag gibt oder ein oder zwei. Es gibt aber auch Tage, gerade in der Sommersaison, wenn sehr viele Menschen auf Nord- und Ostsee zusätzlich unterwegs sind. Und wenn dann sich das Wetter plötzlich ändert, also Vorhersagen schlecht möglich sind und viele Menschen überrascht werden auch von Wetterwechseln, dann haben wir 30, 40, 50 Einsätze parallel laufen. Und dann sind auch mehr Menschen hier im MRCC, in der Rettungsleitstelle See, tätig. Da gibt es immer Leute, die Rufbereitschaft haben. Aber man kann das natürlich auch ein bisschen vorhersehen zum Start oder zum Ende der Wassersportsaison. Wenn nochmal viele Leute die Boote nochmal bewegen, dann weiß man. Und wenn dann Wetter entsprechend angekündigt ist, weiß man vielleicht, dass da schon mehr passieren kann.
Manuel Behrenbruch | 00:34:14 Gibt es auch kuriose Einsätze?
Christian Stipeldey | 00:34:17 Es gibt auch kuriose Einsätze, ganz unterschiedliche. Zum Beispiel tierische Einsätze, also den geretteten Rehbock oder das Pferd, was ein Priel durchschwommen hat im Wattenmeer in der Nacht und dabei Todesängste ausgestanden haben muss. sich ein bisschen mit Pferden auskennt, dann weiß man, dass die das nicht gerne machen. Aber auf der anderen Seite des Fahrwassers, am nächsten Morgen von uns gefunden wurde, da hat man so eine Ahnung davon, Pferde sind ja sehr intelligente Tiere, was das vielleicht nachts erlebt hat. Alle schon da gewesen oder auch die Pistole im Brotkasten. Diese Geschichte kann man sogar nachlesen im Ankerherzbuch Mayday über außergewöhnliche Einsätze der Seenotretter. Tatsächlich mal ein Einsatz, wo eine Waffe im Spiel war, die der Vormann gesichert hat und dem ... Delinquenten, sag ich mal, entnommen hat und im Brotkasten an Bord eingeschlossen hat.
Frank Nägler | 00:35:03 Brotkasten, auch nicht schlecht. Das ist schon sehr kurios.
Christian Stipeldey | 00:35:06 Mehr will ich nicht spoilern.
Frank Nägler | 00:35:09 Ist das so der kurioseste Einsatz gewesen oder gab es noch mehr in den letzten Jahren?
Christian Stipeldey | 00:35:13 Nein, es gibt immer wieder kuriose Einsätze, wo man manchmal auch gar nicht weiß, was ist das jetzt? Ein sehr kurioser fällt mir noch ein, wir haben mal einen Heißluftballon in Schlepp genommen.
Manuel Behrenbruch | 00:35:23 Okay.
Christian Stipeldey | 00:35:23 Tatsächlich über dem Stettiner Haff, das ist so die östlichste Grenze unseres Einsatzgebietes. Im Prinzip das Achterwasser von Usedom. Wenn man dort ein bisschen weiter geht, Richtung polnische Grenze, dort gibt es ja ein Revier, das sehr kabbelig werden kann. Diese gesamten Boddengewässer in der Ostsee oder auch die Hafts, die haben ihre ganz eigenen Herausforderungen. Die Wellen sind sehr kurz und hart und dort gab es einen Heißluftballon, der tatsächlich beinahe hätte notwassern müssen. Und wir sind drunter hergefahren und die haben uns aus dem Korb des Ballons eine Leine zugeworfen. Ach so,
Manuel Behrenbruch | 00:35:55 ich dachte der Schwamm im Wasser. Nee,
Christian Stipeldey | 00:35:56 der war in der Luft. Da stelle ich mir als Bild irgendwie ein bisschen unterhaltsam vor.
Manuel Behrenbruch | 00:36:02 Wer zieht da eigentlich wen, hätte ich mich gefragt.
Christian Stipeldey | 00:36:04 Wir haben die Leine auf den Schlepphaken des kleinen sieben Meter langen Seenotrettungsbootes, 280 PS, genommen und haben den tatsächlich in den Schlepp genommen. Es gibt sogar ein Video davon. Man sieht, wie der Korb so ein bisschen in Schaukeln gerät tatsächlich, aber wir haben damit verhindert, dass der schon über Wasser runtergegangen ist und der ist dann tatsächlich notgelandet über Land.
Manuel Behrenbruch | 00:36:20 Und ich glaube, Sie sind auf alles vorbereitet, aber das gibt es in keinem Einsatzhandbuch, wie schleppe ich einen Heißluftballon an.
Christian Stipeldey | 00:36:26 Richtig, man muss oft improvisieren. Das ist so. Also natürlich gibt es auch keinen Fall, wie man denn lernen kann, was man mit einem beinahe Notwasser einen Heißluftballon tun soll. Das ergibt sich tatsächlich aus der Einsatzerfahrung.
Manuel Behrenbruch | 00:36:39 Wir hatten ja gesagt, kein Katastrophenschutz. Aber das lässt sich ja eigentlich, also das ist natürlich eine rechtliche... Aussage, kein Katastrophenschutz. Weil wenn, ich stelle mir jetzt vor, eine Katastrophe passiert, die irgendwo am Wasser ist, in der Nähe vom Wasser, ein Hafen mit im Bezug ist, dann wird es ja eine Zusammenarbeit geben.
Christian Stipeldey | 00:36:54 Also wir sind keine Katastrophenschutzorganisation, weil wir keine Mittel für solche besonderen Einsatzlagen vorhalten und nicht erst dann zum Einsatz kommen, wenn irgendwo was passiert, sondern als Rettungsdienst natürlich ständig für den Tag X da sein müssen. Wir sind so wie diejenigen, die an Land kommen, wenn man 112 wählt. Wir sind nicht der Krankentransport oder die Hilfsorganisation, die eine Veranstaltung absichert, die vielleicht auch so etwas hat wie ein Rettungswagen, was so ähnlich aussieht, sondern wir sind die, die im Regelrettungsdienst kommen. Das ist der Unterschied. Wir haben natürlich eine hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, die steht am Bug aller unserer Schiffe, das ist der Such- und Rettungsdienst, Search and Rescue. Wann immer wir aber keine SAR-Einsätze haben, können wir natürlich viel anderes ermöglichen, wenn man uns fragt. Zum Beispiel dringende Krankentransporte von den Inseln oder Halligen ans Festland übernehmen. Wenn keine Fähre mehr fährt, wenn kein Hubschrauber fliegen kann, Seenebel, Eisregen, man kann sich viele Situationen vorstellen, dann sind wir möglicherweise das letzte Aufgebot, was dann noch was machen kann. Und das machen wir auch oft etwa 300, 400 Mal im Jahr solche dringenden Krankentransporte. Genauso ist das natürlich auch in dem, was man an Land Katastrophe nennen würde. Auf See gibt es den Begriff der Katastrophe nicht, weil die Länderzuständigkeit auf See nicht gegeben ist und sogar Staatsgrenzen für Seenotretter irrelevant sind. Wir fahren auch in das Gebiet unserer niederländischen Kollegen hinein und sind gemeinsam mit denen im Einsatz. Deswegen passt dieser Begriff nicht so zu unserer Arbeit. Aber wenn wir mal beispielsweise das Ostseesturmhochwasser nehmen, was vor, jetzt muss ich überlegen, vor zwei Jahren war es glaube ich, viele Teile der Ostseeküste betroffen hat, dann ist das natürlich eine katastrophale Situation. Und erstmal auch kein Einsatz für Seenotretter, sondern es ist ja ein Sturmhochwasser, was eher dann die Häfen und die Küste betrifft, aber nicht die Schifffahrt. die kann weiter draußen fröhlich ihrer Sache nachgehen und ist von einem Hochwasser her erstmal nicht sonderlich betroffen. Aber auch da waren die Seenotretter mit im Einsatz, gemeinsam mit Hilfsorganisationen, Schulter an Schulter, haben Sandsäcke aufgestapelt und wenn wir nichts anderes zu tun haben und nicht gefordert sind in unserer eigentlichen Aufgabe, können wir natürlich viel unterstützen.
Manuel Behrenbruch | 00:38:51 Gibt es auch Übungen, also übergreifende Übungen mit Hilfsorganisationen zusammen?
Christian Stipeldey | 00:38:55 Nein, keine Katastrophenübungen, das tatsächlich nicht. Das würde dann situativ passieren. Aber es gibt natürlich Trainings mit Hilfsorganisationen oder anderen Rettungsdiensten. Die DGZRS ist nicht alleine da draußen auf See. Zum Glück, ich sagte ja eben schon, wir setzen hier nicht nur unsere eigenen Schiffe ein, sondern viele andere. Wir trainieren, wir machen eigene Großübungen einmal pro Jahr in Nord- und Ostsee jeweils. Also zwei größere Übungen, zu denen wir auch dritte hinzunehmen. Die Bundespolizei, Wasserschutzpolizei, ein Zollboot, alle die. die mit uns mal in den Einsatz kommen könnten und die wir ja auch in die Situation bringen, vielleicht sogar auch Einsatzleiter, OSC und Scene Coordinator sein zu müssen. Das bilden wir sogar selber aus in unserem Simulator, den wir hier auch im Hause haben, im Keller. Jetzt müssen wir uns so ein bisschen gedanklich unter uns bewegen sozusagen. Da können wir Rollenspiele machen. Da haben wir fünf Kabinen und das ist ein Simulator, der nicht simuliert, wie schwankend unsere Schiffsplanken sein können, das nicht, sondern ... einen Kommunikationssimulator, der die Zusammenarbeit auf See trainiert. Wir können uns sogar hier mit einem Hubschraubersimulator zusammenschalten. Wir können also verschiedene Rollen einnehmen, an einer Rettung beteiligtes Handelsschiff spielen oder eben hier Schiffsführer von Behörden Schiffen ausbilden. Bundespolizei, Wasserschutzpolizei, Wasser-, Straßen- und Schifffahrtsverwaltung, die nach den internationalen Standards dann von uns lernen, wie wir sie in einer solchen Situation bestmöglich dann brauchen.
Manuel Behrenbruch | 00:40:12 Frank, ich habe das Gefühl, wir könnten in diesem Haus eine Woche verbringen, oder? Richtig.
Frank Nägler | 00:40:15 Ich glaube auch, ja. Also ich finde das auch total spannend. Das wäre auch eine meiner nächsten Fragen gewesen, wie dann so eine typische Ausbildung auch für einen Seenotretter aussieht, beziehungsweise wie werde ich denn so ein Seenotretter, wenn ich sage, ich finde das alles ganz toll und ich möchte hier mitmachen.
Christian Stipeldey | 00:40:29 Also wenn wir jetzt verschiedene Seenotretter von den tausend fragen würden, da würden wir ganz unterschiedliche Wege hören. Ich sage mal, da sind die alten Seebären dabei, die noch per Handschlag verpflichtet worden sind von einem alten Vormann vor 50 Jahren oder so. Es gibt tatsächlich Menschen, die so lange freiwilliger sind bei uns. Da hatten wir anfangs gar keine Ehrenadeln für, für solche Zeiten. Also die Menschen sind ja auch immer fitter und werden älter. Das merkt man natürlich auch. Und da gibt es auch keine Altersgrenze, sondern die Grenze wird dadurch bestimmt, dass natürlich ständig die Sehdiensttauglichkeit nachgewiesen werden muss. Und das müssen die Freiwilligen genauso tun wie die Festangestellten. Und wenn die nicht mehr gegeben ist, kann man nicht mehr zur See fahren. Aber wir haben auch einen Vormann, der ist schon über 70 und kann das Amt noch ausfüllen. Über 80-jährigen Vormann kann ich mich jetzt glaube ich nicht daran erinnern. Also irgendwann ist natürlich dann Schluss und man will das ja auch in jüngere Hände übergeben und die Station in eine neue Generation überführen. Das ist sozusagen viel Tradition auch dabei, wenn man gerade in so kleinere Küstenorte guckt. Wer dort zur sozialen Gesellschaft eines Ortes gehört, gehört auch meistens zu dieser Gesellschaft oder hat irgendwas damit zu tun oder ist zumindest Spendensammler oder Sammelschiffchenbetreuer. Oder gehört eben tatsächlich zur Mannschaft des Seenotrettungsbootes.
Manuel Behrenbruch | 00:41:37 Sammelschiffchen-Betreuer. Ja, ja. Frank, es gibt immer eine Zukunft.
Christian Stipeldey | 00:41:41 Die müssen ja gelehrt werden und auch die werden ehrenamtlich betreut. Und Vier-Augen-Prinzip, einmal im Jahr kommt ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, Quittungsblock in der Hand, Schlüssel, Schiffchen aufmachen, Aufschlussort-Inhaber mit drauf gucken, gemeinsam zählen, quittieren.
Manuel Behrenbruch | 00:41:54 Sammelschäfchenbetreuer.
Christian Stipeldey | 00:41:55 Muss alles in Ordnung haben.
Frank Nägler | 00:41:56 Nicht schlecht,
Manuel Behrenbruch | 00:41:56 ja. Sammelschäfchenbetreuer ist ja, Entschuldigung, wolltest du was sagen?
Frank Nägler | 00:41:58 Ja, ich wollte nur wissen, braucht man noch irgendwie Vorkenntnisse, wenn man mitmachen möchte? Oder kann ich auch, wie gesagt, als Quereinsteiger dazukommen?
Christian Stipeldey | 00:42:06 Beides, ja. Beides ist möglich. Wir waren ja auch gerade erst bei einem Fall. Also das andere Ende der Fahnenstange wäre dann sozusagen Menschen, die überhaupt nichts mehr mit Seefahrt zu tun haben. Früher waren es eher die Fischer im Ort, die man eh kannte, die man per Handschlag verpflichtet hat und gesagt hat, du gehörst jetzt auch zur Mannschaft, wurde dann gesagt. und dann war man Seenotretter und hat seine Ausbildung durch... Routine, Erfahrungen irgendwann durch unsere standardisierte Ausbildung, unser Trainingszentrum, was es auch schon fast 30 Jahre lang gibt, dann erhalten und diese Kurse gemacht und auch immer wieder frisch halten müssen. Auf der anderen Seite sind eben Menschen dabei, die weniger aus der Schifffahrt kommen heutzutage. Das kann der Polizist sein an Land, der Steuerfachgehilfe oder der Bäckermeister, denen man tatsächlich erstmal Seemannschaft beibringen muss. Also wie bewege ich mich sicher an Bord, wie arbeite ich mit einer Wurfleine, das übe ich dann erstmal auf der Wiese am Stationsgebäude, bevor man überhaupt aufs Wasser rausgeht. Also viele andere Menschen, die tatsächlich aus ganz anderen Berufen kommen, die meisten sind ja eben Freiwillige bei uns. Und bei den Festangestellten ist es so, dass wir uns vor einigen Jahren schon darauf vorbereitet haben, niemals davon berichten zu müssen, dass wir ein Nachwuchsproblem haben, nämlich dass das gar nicht erst eintritt. Wir haben vorher gesehen, dass wir innerhalb der nächsten Jahre bis 2025, und da sind wir jetzt gerade, die Hälfte unserer Festangestellten in den Ruhestand gehen sehen werden. Also 90 Leute. Und wir haben jetzt über 90 Leute in den letzten sechs Jahren tatsächlich in einer sogenannten Laufbahn. diesen Begriff kennt man vielleicht von der Feuerwehr, selbst qualifiziert. Wir nennen das tatsächlich Qualifizierung neuer Festangestellter. Denn das sind keine Auszubildenden. Das sind in der Regel gestandene Seeleute, die zu uns kommen, die oft weltweit unterwegs gewesen sind, große Schiffe geführt haben, denen man also nicht das Label Azubi ankleben kann mit Nichten. Die wissen, wie man ein Schiff führt. Die kennen sich sehr gut aus, aber die sind keine Rettungsspezialisten. Wenn sie das Patent noch nicht haben, dann müssen sie noch mal zur Seefahrtsschule. Es gibt auch wenige Quereinsteiger. Aber die haben in der Regel ein nautisches oder ein Maschinenpatent. Aber was sie dann alle noch machen müssen, Rettungssanitäter werden. Das kommt dann noch dazu und das ist eine zweijährige verschulte Sache, in der sie aber auch schon, je nachdem wie viel Vorkenntnis sie haben, schon auf den Stationen, auch im Einsatzdienst sind und schon Besatzungsmitglieder sind.
Frank Nägler | 00:44:04 Das heißt, wenn ich ohne Vorkenntnisse komme, bräuchte ich zwei Jahre, um richtig in den Einsatz gehen zu können.
Christian Stipeldey | 00:44:11 Das ist eine sehr theoretische Frage, weil tatsächlich die Bewerberzahl glücklicherweise so hoch ist, dass die Qualifikationen eigentlich da sind, dass Menschen ohne Vorkenntnisse gar nicht zum Bewerbungsgespräch herkommen, weil wir so viele Plätze gar nicht haben. Wenn wir viele Menschen neu beginnend haben, dann sind das pro Jahr zwei Laufbahnen A12. Manchmal haben wir auch nur eine gehabt, aber jetzt sind es gerade wieder zwei und die nächste ist schon projektiert. Das sind ganz normale Ausschreibungen, Stellenausschreibungen, die man auch auf seenotretter.de-jobs tatsächlich sehen kann, wenngleich kaum ein Seenotretter seine Arbeit als Job bezeichnet. Aber so ist das ja, im Netz sucht man sowas unter Karriere oder unter Jobs, deswegen nutzen auch wir diese Stichworte. Also da kann man sehen, was möglichst als Einstellungsvoraussetzung mitgebracht werden sollte. Und die meisten haben eben auch diese Seefahrtserfahrung. Quereinsteiger gibt es ganz selten, wenn, dann sind es Leute, die schon lange Freiwillige bei uns waren. Und die haben natürlich dann eine andere Erfahrung, die sie schon mitnehmen. Jemand, der völlig unbillig zu uns käme und sagt, ich möchte jetzt Seenotretter werden. Ich glaube, ich bin nicht personalverantwortlich hier, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es so einen gegeben hätte.
Manuel Behrenbruch | 00:45:12 Können wir nochmal, also ich muss mich mal outen, ich weiß nicht, was ein Vormann ist. Aber ich würde mir gerne vorstellen können, was für Menschen an Bord sind. Also nehmen wir jetzt mal, es gibt wahrscheinlich wieder Unterschiede, je nachdem wie groß das Schiff oder das Boot ist. Aber nehmen wir mal so ein großes Schiff mit Tochterboot. Was ist so die Standardbesatzung und vielleicht nochmal mit einer Übersetzung dahinter, was machen die dann?
Christian Stipeldey | 00:45:32 Der Vormann ist der Stationsleiter oder der Kapitän auf einer Rettungseinheit. Traditioneller Begriff stammt aus der Ruderrettungsbootzeit. Vor 160 Jahren waren wir nur mit Muskelkraft unterwegs, vielleicht manchmal mit einer Hilfsbesegelung, die man noch aufstellen konnte, aber eben ohne Motorkraft. Die Motorisierung unserer Rettungsklotte hat erst 1911 begonnen, also viele Jahrzehnte erst mal reines Muskelkraftrettungswerk sozusagen. Und da hat ja ein einziger Mensch nur nach vorne vorausgeschaut. Der hat hinten im Boot gesessen an der Ruderpinne. Das war der Vormann. Der hat die Verantwortung getragen, denn der sah als erster und einziger die hohe Welle kommen. Alle anderen haben mit dem Rücken zur Fahrtrichtung gesessen und gerudert. Das heißt, der Begriff Vormann stammt einmal tatsächlich aus diesem Vorausschauenden, da in die Gefahr kommen zu sehen, aber eben auch aus der Verantwortung heraus, für alle der Vormann zu sein und die Verantwortung zu tragen und für die Sicherheit aller auch da zu sein. Und dieser Begriff hat sich erhalten, übrigens nicht nur in unserer Sprache, bei unseren britisch-irischen Kollegen, die Royal National Lifeboat Institution. Bemerkenswert für zwei Staaten, trotz aller politischen Differenzen zwischen den Staaten, ein einheitliches Seenotrettungswerk. Das ist die älteste privatkaritative Seenotrettungsgesellschaft der Welt, bereits 1824 gegründet. Dort gibt es auch so einen speziellen Begriff, COXEN, C-O-X-S-W-A-I-N, wird nur im Rettungsdienst benutzt, so wie Vormann bei uns auch. Das ist was ganz Besonderes unter Seenotrettern, diese Funktion. Wenn wir jetzt von Festangestellten ausgehen, also einen Seenotrettungskreuzer haben, dann gibt es auch einen zweiten Vormann. Das ist der, der dann im Freiturn ist und der gerade seine 14 Tage frei hat. Es gibt aber auch dritte Vorleute, also die, die sozusagen die zweiten Nautiker hinter dem gerade im Dienst befindlichen Schiffsführer sind. Und so ist das auch bei den Maschinisten. Erster Maschinist, zweiter Maschinist, dritter Maschinist. Vom dritten gibt es dann in der Regel zwei. Ein Standard-Seenotrettungskreuzer hat neun festangestellte Besatzungsmitglieder, die Hälfte Vorleute, die Hälfte Maschinisten. So sollte es im Idealfall sein. Bei den Freiwilligen ist es etwas anders. Da gibt es einen Vormann als Stationsleiter. Es gibt aber durchaus viele Bootsführer, die diese Qualifikation auch haben und auch ohne den Vormann dann mit ihrer Mannschaft im Einsatz sein können. Das würden wir dann stellvertretende Vorleute nennen. Da gibt es nicht diese Rangfolge erster, zweiter, dritter. Ansonsten gibt es im Prinzip keine Ränge bei uns an Bord, wie bei militärischen Einrichtungen oder vielleicht auch bei Feuerwehren. Wir tragen auch keine Schulterstreifen oder Sterne oder sonst irgendetwas. Das ist auch an unserer Kleidung überhaupt nicht zu erkennen. Wichtig ist, dass alle ein Team sind. Wir sprechen auch eher von Kolleginnen und Kollegen. Den Kameradenbegriff gibt es bei uns auch nicht so wie in der Feuerwehr. Und dieser Kollegenbegriff, der gilt auch tatsächlich für uns an Land. Also wir können auch sehr auf Augenhöhe mit unseren Besatzungen sprechen und ich könnte nicht so viel heute hier erzählen, wenn ich nicht lang und mühsam immer wieder etwas beigebracht bekommen würde durch unsere Seeleute. Ich selber bin kein Patentinhaber und weiß natürlich trotzdem, wie man eine Leine belegt und dass man nicht in das Auge einer Leine hineintritt, denn das kann lebensgefährlich sein an der Decke eines Schiffes. Wenn die sich nämlich plötzlich zuzieht, dann landet man im Wasser und ist dann weg. Das ist wirklich eine große Gefahr. Also sowas muss man natürlich wissen, um sich sicher an Bord unserer Schiffe bewegen zu können. Aber das habe ich auch erst gelernt, nachdem ich hier tiefer eingestiegen bin.
Manuel Behrenbruch | 00:48:38 Und manchmal auch ein Arzt oder eine Ärztin, dass ich eben rausgehört habe. Genau,
Christian Stipeldey | 00:48:42 wenn wir eine medizinische Indikation wissen, dass uns da draußen etwas erwartet, was medizinische Kenntnisse erfordert, dann nehmen wir entweder schon direkt einen Arzt mit. Und das kann auch der Grund sein, dass wir auf den Arzt warten. Also wenn ein Alarm gekommen ist und man kriegt das vielleicht in einem Hafen mit, das merkt man ja, dass die Seenotretter schon mal die Maschinen starten, die ersten Leinen gelöst werden und trotzdem stehen die an Deck und fahren noch nicht los. Warum tun die das? Es kann manchmal sinnvoll sein, auf den landgebundenen Rettungsdienst zu warten, auf Notarzt und Notfallsanitäter. Denn wenn wir da draußen erst jemanden umständlich einfliegen lassen müssen, dann hat man diese Zeit vielleicht wieder gewonnen, indem man vielleicht noch fünf Minuten wartet und dann vom Rettungsdienst jemanden geschickt bekommt. Das geht aber auch nicht immer, denn der Landrettungsdienst muss ja erstmal wissen, habe ich da Leute, die Seebeine haben? Also können die sich sicher bewegen? Haben die eine entsprechende Ausbildung? Wollen die das auch machen? Sind die freiwillig dazu bereit? Und habe ich denn die Kapazität? Habe ich die Leute übrig so lange? Denn Einsätze auf See dauern länger als ein Regeleinsatz eines Rettungsdienstes an Land. Das heißt, wenn der Notarzt weg ist, dann ist er auch erstmal weg. Das dauert dann ein paar Stunden, bis er wiederkommt. Also es ist immer eine Abwägungssache, eine Absprachesache. Wenn das nicht sofort geht, einen Arzt mitzunehmen, auf freiwilligen Stationen haben wir auch freiwillige Seenotärzte, die aber in erster Linie bitte Besatzungsmitglieder sein sollten. Also die sich ja auch sicher integrieren müssen in unsere Besatzung. Und dann, wenn sie eine medizinische Qualifikation haben, natürlich wunderbar geeignet sind, uns auch als freiwillige Seenotärzte zu unterstützen. Wenn das auch nicht möglich ist, können wir natürlich auch einen Arzt einfliegen lassen, hinterherfliegen lassen. Wir sprechen ja hier über den Maritim Such- und Rettungsdienst, für den die DGZHS die Verantwortung trägt. Es gibt auch den aeronautischen Such- und Rettungsdienst. Wir waren ja beim YAMSA-Manual eben schon mal, beim International Aeronautical and Maritime Search and Rescue Manual. Der aeronautische Such- und Rettungsdienst ist platt gesagt dafür da, sich um abgestürzte oder vermisste Luftfahrzeuge zu kümmern. Und diese Zuständigkeit liegt bei den Marinefliegern. Der wesentlich häufigere Fall ist, dass wir im Seenotfall die Unterstützung der Marineflieger brauchen. Zum Beispiel, weil wir einen Arzt brauchen, weil wir einen Patienten schneller an Land bringen müssen, als ein Schiff wieder an Land sein könnte. Die Kombination aus Schiff und Hubschrauber hat sich gerade im SAR-Fall also... Im Such- und Rettungsfall, gerade wenn man eine lange Suche hat, hat sich als Optimum herausgestellt. Schiffe haben die längere Seeausdauer, Hubschrauber haben die höhere Sichtposition und können innerhalb kürzerer Zeit ein relativ großes Seegebiet absuchen. Und diese Kombination ist bei großen Suchen, wir sprachen eben über die Kollision der Verity, stundenlangen Suchen tatsächlich dann das Optimum. Hubschrauber können aber nicht so lange vor Ort bleiben. Die müssen schneller wieder zum Bunkern an Land. Und deswegen wird es immer diese Kombination bleiben zwischen Schiff und Hubschrauber.
Frank Nägler | 00:51:20 Wissen die Kollegen vom Landrettungsdienst dann, worauf sie sich einlassen? Stichwort Seekrankheit?
Christian Stipeldey | 00:51:27 Auch Seenotretter sind vor Seekrankheit nicht gefeit. Wer dazu mehr wissen möchte, Seenotretter.de-Seekrankheit haben wir ein extra Erklärstück in unserem digitalen Magazin. Das kommt immer wieder vor und Seekrankheit ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für die Sicherheit des Fahrzeugs, auf dem dann jemand ist. Denn wer wirklich ernst seekrank ist und wie man immer so landläufig sagt, ich möchte nur noch sterben, das meinen die Menschen manchmal tatsächlich ernst. Und Menschen, die schwer seekrank sind, sind möglicherweise unberechenbar. Das darf man nicht aus dem Blick verlieren. Und man kann auch nicht sagen, ich werde nicht seekrank. Man kann immer nur sagen, ich bin noch nie seekrank geworden. Toi, toi, toi, ich kann das für mich tatsächlich sagen. Ich weiß aber, wenn ich meine Kinder früher auf dem Karussell, inzwischen sind sie aus dem Alter raus ange... schwungen habe. Ich konnte nicht auf dieses sich drehende Karussell schauen. Da wurde mir immer pöbelrand. Aber auf Schiffen ist mir das noch nicht passiert. Also es scheint auch Unterschiede zu geben. Aber ich habe einmal tatsächlich, wir wollten auch ein bisschen privat plaudern, einmal habe ich tatsächlich im Bett gelegen und konnte mich noch nicht mal aufrichten und noch nicht mal zur Toilette gehen oder ein Glas Wasser trinken. Vermutlich, weil sich in meinem Ohr so ein kleines Stückchen gelöst hat. Haben Sie vielleicht schon mal von gehört, was das Gleichgewichtsorgan beeinträchtigen kann. Da habe ich gedacht, oh Gott, so muss sich jemand fühlen, der schwerseekrank ist. Also das habe ich zum ersten Mal da so gefühlt. Und das möchte man wirklich nicht haben, einen so großen Schwindel und eine so große Übelkeit, die dann auch schnell entsteht. Aber wie gesagt, auch Seenotretter sind davor nicht gefeit. Man weiß nicht, wie beim nächsten Mal, ich sage mal, persönlicher Mageninhalt, Lichtstimmung und Wetterverhältnisse aufeinandertreffen, ob es da nicht doch dazu kommt. Und wir haben immer wieder Einsätze, in denen nicht nur die Seenotretter, sondern auch andere Besatzungen von Handelsschiffen oder Behördenfahrzeugen alle seekrank werden und man dann auch gucken muss, kann man jetzt wirklich noch weiterfahren? Ist man noch fähig, eine Hilfe zu sein für Menschen, die da auf Hilfe warten? Zum Glück sind wir aber ja nie allein unterwegs, weder einer einzelnen DGZS-Einheit noch bei größeren Einheiten nur die DGZS. Unsere hohe Stationsdichte macht es möglich, immer mehrere Rettungseinheiten auch loszuschicken, sodass es immer eine Redundanz gibt, wie an Bord eines Schiffes, wo alle technischen Einrichtungen bei uns, bei Seenotrettern, natürlich mehrfach vorhanden sein müssen. So ist es dann auch, dass wir da auch redundant sind und hoffen, dass wir immer noch jedem helfen können.
Manuel Behrenbruch | 00:53:32 Aber ich habe mal irgendwo gelesen zum Thema Seekrankheit, wenn man wirklich schwer seekrank ist, hat man keine Angst zu sterben, sondern man hat Angst, nicht zu sterben.
Christian Stipeldey | 00:53:38 Das war das, was ich gerade meinte. Genau. Dass Leute dann sagen, ich möchte sterben und die meinen das vermutlich wirklich ernst. Ja,
Manuel Behrenbruch | 00:53:43 ja. Ich hatte es zum Glück noch nicht. Frank, du hattest gerade eine Kreuzfahrt hinter dir, bist du sehfest? Genau,
Frank Nägler | 00:53:47 ich war die letzten zwei Wochen auf einem großen Schiff unterwegs und ich habe auch viele Leute gesehen, denen es nicht so gut ging. Und wir hatten gerade mal vier bis fünf Meter hohe Wellen auf so einem großen... Ich bin letzten August bei
Christian Stipeldey | 00:53:59 3 Meter See von Cuxhaven nach Helgoland gefahren, auch für Filmaufnahmen mit Gästen. Und die haben tatsächlich hinten am 8. Schotter Hermann Marwede gestanden, haben versucht, den Horizont, jetzt hat man schon gemerkt, ich habe mich vom Mikro wegbewegt, den Horizont nicht aus dem Blick zu verlieren. Was entsprechend schwierig war, weil der immer wieder verschwand, so sehr wie wir dort tatsächlich im Seegang unterwegs waren. Und ich bin einfach nur müde geworden. Das ist aber auch ein typisches Zeichen, dass es anfängt, den eigenen Organismus zu beeinträchtigen. Ich habe mich dann hingesetzt und bin tatsächlich ein bisschen eingeschlafen und die anderen Gäste haben nachher gesagt, dass sie dabei schlafen konnten, aber ich wusste das ja vorher auch nicht, wie es mir heute gehen würde.
Frank Nägler | 00:54:34 Ich konnte bei dem Wellengang hervorragend schlafen, das war perfekt. Geschaukelt. Das war super. Ja, war super.
Christian Stipeldey | 00:54:39 Also toi toi toi.
Manuel Behrenbruch | 00:54:40 Ich weiß nicht, wie es dir geht, Frank. Ich habe auf jeden Fall jetzt schon ein sehr deutliches Bild. Ich habe sehr viel verstanden. Das ist jetzt ein bisschen klarer geworden. Hast du noch Fragen, die dir auf der Seele brennen?
Frank Nägler | 00:54:53 Wir haben ja vorhin darüber gesprochen, Finanzierung, es ist alles spendenfinanziert. Was ist denn nötig, um das alles zu finanzieren? Also auch von den Summen her, damit man da mal so einen Überblick bekommt.
Christian Stipeldey | 00:55:04 Wir haben im vergangenen Jahr einen Aufwand von 58,8 Millionen Euro gehabt, um den Reitungsdienst am Laufen zu halten. Das sind durchschnittlich Einnahmen von 162.000 Euro pro Tag. die wir haben mussten im vergangenen Jahr. Das macht das so ein bisschen greifbarer für uns alle vielleicht. Wir alle wissen, was ein Auto kostet oder auch ein Einfamilienhaus ungefähr kostet. Da kommen wir in solche Größenordnungen, die wir uns vorstellen können. Ist so ein bisschen ähnlich wie mit den 36.000 Litern aus der Feuerlöschanlage. Wenn man sagt, das sind 250 Badewannen, dann kann man sich das vielleicht ein bisschen eher vorstellen. Ich weiß nicht, ob es genau stimmt, aber so ungefähr in der Größenordnung wahrscheinlich. Je nachdem, wie voll man eine Badewanne macht natürlich immer. Und so ist das auch beim Geld, das wird dann fassbarer. Unsere Sammelschiffchen, 13.000 Stück, die sehr viele Menschen kennen, die das bekannteste Symbol für unsere Unabhängigkeit sind, die sind eben auch vielfach Symbol und nicht nur Einnahmebringer. Aber in diese Sammelschiffchen kommt so pro Jahr in guten Jahren bis zu einer Million Euro zusammen. Und das ist schon, Heavy Metal macht schon dann noch viel aus, wobei auch viele Scheine natürlich da drin sind. Aber es ist eben nur ein vergleichsweise geringer Teil unserer Einnahmen. Das Wichtigste sind tatsächlich regelmäßige Beiträge unserer vielen Freunde und Förderer im ganzen Land, ohne dass wir vorgeben, wie viel oder wie oft. Die Lastschrift ist natürlich das, was am wenigsten Verwaltungskosten verursacht hier bei uns im Haus, aber jeder kann selbst bestimmen, ob er da 5 Euro im Monat gibt oder 3.000 Euro im Jahr. Für jeden ist ja auch was anderes viel. Ja,
Manuel Behrenbruch | 00:56:21 oder man könnte ja auch ein Schiff spenden.
Christian Stipeldey | 00:56:24 Auch das passiert, dass Menschen ihren Nachlass zu unseren Gunsten regeln und damit verbunden den Wunsch haben, dass eine neue Rettungseinheit nach ihnen benannt wird. Und wenn die Mehrheit der Kosten einer neuen Rettungseinheit finanziert wird, dann besteht das Namensvorschlagsrecht.
Manuel Behrenbruch | 00:56:38 Oh, das ist nochmal, obwohl ich schon gedanklich am Ende war, da stehen ja immer Namen drauf, fällt mir auf. Das sind immer dann die Spender?
Christian Stipeldey | 00:56:46 Nein, nicht immer. Es sind auch Seenotretter, die ums Leben gekommen sind. Wir hoffen, dass uns diese Namensliste ausgeht mit der Zeit. Es sind jetzt noch zwei Seenotrettungskreuzer im Einsatz, die diese Namen tragen, die vor 30 Jahren tatsächlich ums Leben gekommen sind. Bernhard Gruben und Theo Fischer. Wir haben auch neutrale Schiffsnamen. Berlin ist Randers. Kennt vielleicht jemand, der Urtyp des Seenotretters aus der gleichnamigen Ballade von Otto Ernst, in dem er eine Ballade geschrieben hat über einen Seenotretter, der seinen eigenen Bruder rettet. Die Mutter will verhindern, dass er rausfährt und er sagt, und seine Mutter da draußen? Ich muss fahren, denn der hat ja auch eine Mutter. Und die Mutter sagt, ja, aber dein Vater ist verschollen und Uwe, dein Bruder auch. Und er schreit dann durch die Hand, als er zurückkehrt, sagt Mutter, es ist Uwe. So geht das Gedicht aus, die Ballade. Das sind natürlich Namen, die symbolisch stehen für all das, was wir tun und die viele Menschen hinter sich vereinen. Die Berlin oder auch die neue Hamburg, da haben wir eine Ausnahme gemacht. was wir sonst nie tun. Normalerweise verraten wir den Namen einer neuen Rettungseinheit erst im Moment der Taufe. Aber für diese Schiffe haben wir die Namen tatsächlich vorher verraten, um ganz viele Leute mitzunehmen auf diesem Weg und zu begeistern dafür, mit ihrer Spende teilzuhaben daran. Also Menschen, die entweder in Berlin leben oder Berlin schön finden oder Hamburg das Gleiche oder eben sich hinter diesem Namen des Randers, der so typisch ist für unsere Arbeit, eben sehr wiedergefunden haben. Aber dann gibt es eben auch eine ganze Reihe Schiffe, die entweder den Namen eines Verstorbenen tatsächlich tragen. Oder einen Namen auf Wunsch eines Verstorbenen. Zum Beispiel haben wir Schiffe, die heißen Nima Noah oder Nausikaa. Letzteres ist eine mythische Gestalt aus der griechischen Sagenwelt, Nausikaa. Und Nima Noah ist ein guter Geist in der Südsee, der immer den richtigen navigatorischen Weg den Seeleuten zeigt. Also auch ein ganz schöner Name für ein Seenotrettungsboot. Oder wir haben ein Seenotrettungsboot mit Namen Courage. Tatsächlich deutsch ausgesprochen wie Zivilcourage, aber funktioniert natürlich auch Courage. Courage funktioniert auf Englisch auch sehr gut. Und für ein Rettungsboot, was ja auch in der Seefahrt für Seeleute zu erkennen ist, dass das ein Rettungsfahrzeug ist, ein Boot zu sehen, was mit Courage da ankommt, ist natürlich auch eine tolle Botschaft. Aber auch das ist ein Wunsch, der von Spendern dieses Bootes geäußert worden ist, dass dieses Schiff so benannt werden soll.
Manuel Behrenbruch | 00:58:54 Spannend, das war nochmal interessant. Absolut. Wer jetzt Lust bekommen hat, vielleicht ein paar bewegte Bilder zur DGZRS zu sehen, der hat gerade die Möglichkeit, glaube ich.
Christian Stipeldey | 00:59:03 Ja, dieses Jahr ist ein sehr besonderes. Wir erleben zwei Staffeln einer ARD-Doku-Serie über die Seenotretter. Die erste ist im Februar veröffentlicht worden, die zweite kommt jetzt bald. Zum 30. Dezember wird sie in der ARD-Mediathek sein und nur wenige Tage später, zu Beginn des neuen Jahres, auch schon im linearen Fernsehen. Da ist man den Seenotrettern wirklich sehr nah. Es sind 30-minütige Folgen, die überwiegend aus Einsatzgeschehen bestehen, aber auch aus Sozialleben an Bord. Also das, was wir hier gerade besprochen haben, wie leben die eigentlich zusammen und wie ist das, wenn die sich ein Krabbenbrot schmieren und so, das sieht man da drin auch. Auch der Krabbenfischer, der zum Dank für die Hilfe dann eine Maß, also ein Liter Fass Krabben dann noch abfüllt für die Seenotretter. Und was natürlich frisch gekocht ist und am selben Abend dann auch verzehrt werden muss, denn diese Krabben waren ja nicht im weit entfernten Ausland und haben Konservierungsstoffe genießen dürfen, sondern die müssen dann auch gegessen werden. Und das erfährt man auch, wie die Seenotretter dann aus solchen Situationen auch noch einen schönen Tagesabschluss machen und auch mal Gelegenheit haben, in den Sonnenuntergang zu gucken. Also es ist sehr viel zu sehen, was unsere Arbeit ausmacht. Und es ist nichts geskriptet. Es ist so zu sehen, wie es passiert. Es ist das echte Leben zu sehen. Es gibt ja viele solcher Reihen, die im Moment im Fernsehen sind. Besonders nah kommt man den Seenotrettern auch deshalb, weil es keinen Aufsprecher gibt. Also die Seenotretter erzählen selbst, was sie dort tun. Das ist für unsere Besatzung das Schwierigste gewesen. Im Präsens zu erzählen, was sie da getan haben. In den abgesetzten Interviews mussten sie natürlich dann so erzählen, als würde das gerade passieren, damit der Zuschauer auch... mitgenommen wird und das funktioniert aber sehr gut. Und einige, wer das schon gesehen hat aus der ersten Staffel, einige Kolleginnen und Kollegen wird man wieder sehen in Staffel 2. Ein paar Charaktere gewinnt man ja auch so lieb und die werden wieder dabei sein, aber es werden auch neue Stationen dabei sein.
Manuel Behrenbruch | 01:00:43 Ich habe es noch nicht geguckt, du Frank?
Frank Nägler | 01:00:44 Nein, ich habe es noch nicht geguckt, aber es ist schon herausgesucht und ich wollte es tatsächlich nicht vor unserer Aufnahme machen, weil ich so ein bisschen unbefangen hier reingehen wollte. Aber es ist auf jeden Fall auf der Watchlist und ich bin sehr gespannt.
Christian Stipeldey | 01:00:55 Ja, vielleicht nochmal als Tipp, die erste Staffel ist auch gerade wieder linear im Fernsehen, im NDR Fernsehen. Die erste lineare Wiederholung ist das tatsächlich jetzt, bevor die zweite Staffel kommt. Auch die große Kollision der Verity, über die wir eben gesprochen haben, ist durch, ja, ein Reporter-Glück-Zufall sozusagen Bestandteil dieser Serie geworden, weil tatsächlich durch Zufall zwei Kameras genau zu der Zeit auf zwei beteiligten Seenotrettungskreuzern waren. Und man sehr nah dran kommt an die Menschen, die dort gesucht haben, auch an unseren Vormann, der dann nach 18 Stunden die Suche einstellen musste, was natürlich eine schwere Entscheidung ist.
Manuel Behrenbruch | 01:01:26 Das werden wir gucken, Frank. Machen wir. Definitiv. Vielleicht sogar zusammen. Ich würde zur letzten Frage kommen, weil ich glaube, jetzt haben wir wirklich ein schönes, rundes Bild und einfach noch so ein bisschen in die Zukunft geguckt. Was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahre für die DGZRS?
Christian Stipeldey | 01:01:41 Eigentlich vor allem, dass uns die Freunde und Förderer im ganzen Land so gewogen bleiben. Wir haben das jetzt im Jubiläumsjahr, 150 Jahre Sammelschiffchen hatten wir und im runden Geburtstagsjahr 160 Jahre Seenotretter. ganz oft zu lesen bekommen, dass Menschen uns geschrieben haben, wie sehr sie sich uns verbunden fühlen, aber dass sie auch mit uns gemeinsam in die Zukunft blicken. Wir hatten mehrere Zuschriften, dass die Menschen gesagt haben, ich möchte meine regelmäßige Spende erhöhen, denn auch für die Seenotretter wird ja alles teurer. Völlig richtig, das ist natürlich besonders toll, dass Menschen auch so mitdenken und nicht nur sagen, ich spende seit Jahren 100 Euro im Jahr, das ist übrigens die Durchschnittsspende, und das mache ich auch weiter so, sondern dass sie auch sagen, nee, ich mache jetzt 120 Euro, weil wird ja auch für euch teurer. diese perspektivität zu haben ist toll und Das ist letztlich die Grundlage dafür, dass wir weiterhin so unabhängig und eigenverantwortlich tätig sein können. Es zeigt sich eben über viele politische Systemwechsel und wirtschaftliche Aufs und Abs in Deutschland der letzten 160 Jahre hinweg, dass dieses System der Freiwilligkeit, organisiert und finanziert zu sein, eben Bestand hat für unsere sehr spezielle Aufgabe und dass das das beste System ist.
Manuel Behrenbruch | 01:02:39 Herr Stiebeldeit, danke, dass wir diese Folge aufnehmen konnten. Ich bin wirklich begeistert. Ich habe viel, viel gelernt. Ein spannendes Haus. Wir gehen, glaube ich, noch ein bisschen nach unten und nach oben.
Frank Nägler | 01:02:47 Wir schauen uns hier so ein bisschen um, nutzen die Chance, dass wir hier sein dürfen.
Christian Stipeldey | 01:02:50 Und wer das auch machen will, senotretter.de-besichtigung. Man kann sich um solche Termine auch bemühen, man muss nicht Podcaster sein dafür.
Frank Nägler | 01:02:57 Dass da ein wunderschöner Schluss wird. Ich danke ganz herzlich, dass wir hier sein durften. Bis zur nächsten Folge. Tschüss. Ciao.
Manuel Behrenbruch | 01:03:08 Schön, dass ihr bei dieser Folge dabei wart. Wir hoffen, dass es euch gefallen hat. Alle Links und Informationen zu der heutigen Folge findet ihr wie immer in den Show Notes. Bis zum nächsten Mal. Euer Frank und euer Manuel.