Psychosoziale Betreuung bei der Flutkatastrophe im Ahrtal

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Inhalt dieser Podcast-Folge

Denise Heggblum ist Diplom-Sozialpädagogin, engagierte Einsatzkraft in der Krisenintervention, erfahrene Rettungssanitäterin und Verbandführerin. Gemeinsam mit ihr tauchen wir in das Thema Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) ein. Wir klären zunächst, was PSNV bedeutet und warum sie ein unverzichtbarer Bestandteil des Katastrophenschutzes ist. Denise teilt mit uns Einblicke in die Arbeit des Kriseninterventionsteams (KIT) und erklärt, wie sie und ihr Team erkennen, wenn jemand psychosoziale Hilfe benötigt. Die Wichtigkeit der PSNV, insbesondere in Krisenzeiten, wird durch ihre Erfahrungen unterstrichen. Besonders wertvoll sind ihre persönlichen Eindrücke vom Einsatz im Ahrtal, die die Bedeutung und die Herausforderungen der psychosozialen Notfallversorgung in realen Katastrophenszenarien veranschaulichen.

Begriffe:

  • PSNV: Psychosoziale Notfallversorgung
  • KTW:  Krankentransportwagen
  • KIT: Kriseninterventionsteam

Links:

Hosts:

Frank Nägler 
Manuel Behrenbruch

Einsatzbereit - Der Katastrophenschutz-Podcast

Transkription dieser Folge

Denise Heggblum | 00:00:00 Und nun hatten wir ja aber gar nicht irgendwie eine festgelegte Adresse und einen festgelegten Namen und irgendwie jemanden, der besonders hilfsbedürftig war, sondern es waren irgendwie alle hilfsbedürftig und es gab aber auch keine Adressen in dem Sinne mehr und auch kein Telefon. Also diese ganzen Alarmierungswege waren ganz andere und wir haben im Grunde genommen ganz viel so fast Straßensozialarbeit gemacht.

Manuel Behrenbruch | 00:00:48 Einsatz bereit der Katastrophenschutz-Podcast. Ich bin Manuel.

Frank Nägler | 00:00:52 Und ich bin immer noch Frank. Hallo zusammen.

Manuel Behrenbruch | 00:00:55 Und wie auch in der letzten Folge haben wir heute einen weiblichen Gast. Heute haben wir bei uns Denise Heckblum. Denise ist 45 Jahre alt, sie ist seit 2005 beim DRK in Hamburg. Das sind jetzt in Jahre 2024 genau 19 Jahre. Vom Beruf ist sie Diplom-Sozialpädagogin, das spielt auch nochmal eine Rolle heute in dieser Folge. Sie ist Einsatzkraft in der Krisenintervention, sie ist Rettungssanitäterin, sie ist Verbandführerin. Und heute wollen wir mit Denise über das Thema PSNV sprechen. Was das ist, was es bedeutet, wofür die Abkürzungen stehen und warum das so interessant ist, das erzählt sie uns selber. Schön, dass du da bist. Hallo Denise.

Denise Heggblum | 00:01:34 Hallo, schön, dass ich da sein darf.

Manuel Behrenbruch | 00:01:36 Und jetzt kommt Frank.

Frank Nägler | 00:01:38 Ja, wie immer am Anfang starten wir unsere Schnellantwortrunde und ich habe mir für dich fünf ganz besondere rausgesucht, weil ich dich auch ein bisschen schon kenne. Bist du startklar?

Denise Heggblum | 00:01:48 Okay.

Frank Nägler | 00:01:49 Dann fangen wir an. Obst oder Gemüse?

Denise Heggblum | 00:01:51 Obst.

Frank Nägler | 00:01:52 Warum lieber Obst?

Denise Heggblum | 00:01:55 Mag ich lieber.

Manuel Behrenbruch | 00:01:56 Weil es süßer ist?

Frank Nägler | 00:01:57 Genau, süß wäre jetzt die richtige Antwort gewesen wahrscheinlich. Okay, Kino oder Theater?

Denise Heggblum | 00:02:03 Theater.

Frank Nägler | 00:02:05 Hätte ich jetzt tatsächlich mit Kino gerechnet?

Denise Heggblum | 00:02:08 Nee, das ist, Kino hat so viel von Fernsehen und ich bin nicht so der Fernsehfreund. Ja,

Frank Nägler | 00:02:12 das stimmt. Okay, Komödie oder Horrorfilm? Ja,

Denise Heggblum | 00:02:17 Komödie. Horrorfilm geht gar nicht. Dann kann ich ja nicht schlafen.

Frank Nägler | 00:02:22 Dass Manuel nicht schlafen kann, weiß ich, aber...

Manuel Behrenbruch | 00:02:24 Da kommen Spinnen drin vor.

Frank Nägler | 00:02:25 Ja. Wir machen nochmal eine Folge über Spinnen.

Manuel Behrenbruch | 00:02:28 Nein. Okay.

Frank Nägler | 00:02:30 Fahrer oder Beifahrer?

Denise Heggblum | 00:02:33 Das kommt auf den Beifahrer an.

Manuel Behrenbruch | 00:02:35 Und auf den Fahrer?

Denise Heggblum | 00:02:37 Ja.

Frank Nägler | 00:02:38 Aber was machst du lieber?

Denise Heggblum | 00:02:39 Beifahrer.

Frank Nägler | 00:02:39 Okay. Und zum Schluss, Geburtstag oder Weihnachten?

Denise Heggblum | 00:02:43 Geburtstag.

Frank Nägler | 00:02:46 Lieber als Weihnachten?

Denise Heggblum | 00:02:47 Ja.

Manuel Behrenbruch | 00:02:47 Okay.

Frank Nägler | 00:02:49 Vielen Dank.

Manuel Behrenbruch | 00:02:49 Dann haben wir schon mal einen ersten Eindruck von ein bisschen was Persönliches über dich. Zumindest habe ich von dir auch schon mal Theatertipps bekommen. Ich hätte darauf kommen können. Starten wir mit dem Thema PSNV.

Denise Heggblum | 00:03:01 Ja.

Manuel Behrenbruch | 00:03:02 Und ich glaube und ich befürchte und ich vermute, es gibt einige Menschen, die uns gerade zuhören, die vielleicht nicht genau wissen, was PSNV ist. Was bedeutet die Abkürzung?

Denise Heggblum | 00:03:09 Genau, also PSNV steht als Abkürzung für psychosoziale Notfallversorgung. Hört sich ein bisschen sperrig an. Aber so Einsatzorganisationen leben ja auch immer ein bisschen von Abkürzungen.

Manuel Behrenbruch | 00:03:23 Das stimmt.

Denise Heggblum | 00:03:25 Genau, das steckt im Grunde genommen hinter, dass Menschen nach psychisch belastenden Erlebnissen angemessen unterstützt werden. Also das geht nicht um Therapie oder irgendwelche hochkomplexen Maßnahmen, sondern grundsätzlich wirklich um so ganz niedrigschwellige Basisunterstützung, um da sein, um begleiten, um vielleicht ein Stück auffangen. Sowohl für Menschen, die von Situationen betroffen sind oder einzelnen Erlebnissen, oder aber auch eben für Einsatzkräfte.

Manuel Behrenbruch | 00:04:02 Also das sind ja zwei völlig verschiedene Themen dann eigentlich schon. Also Einsatzkräfte, die psychisches Erlebnis hatten und aber auch Betroffene, also Bevölkerung, Patienten bei Katastrophen.

Denise Heggblum | 00:04:13 Genau, nicht nur bei Katastrophen, durchaus auch im Alltag. Und wenn man das weiter unterteilen will, dann gibt es eben den Bereich PSNVB für Betroffene. Da geht es eben tatsächlich darum, Angehörige nach plötzlichen Todesfällen, Augenzeugen, Ersthelfer zu betreuen, so in der Akutphase nach einem Ereignis. Und der Bereich PSNVE für Einsatzkräfte, da geht es eben darum, Natürlich auch um Nachsorge, Nachbesprechung nach belastenden Einsatzerfahrungen, auch unterhalb von Katastrophen.

Manuel Behrenbruch | 00:04:50 Also im Alltag ganz genau?

Denise Heggblum | 00:04:52 Im Alltag, genau. Das kann eben auch um ganz normale Standardeinsätze gehen. Da geht es aber auch ein Stück weit mit um so Geschichten wie Prävention, wie Ausbildung und so weiter. Also das ist ein bisschen umfangreicher.

Frank Nägler | 00:05:07 Ausbildung ist ein gutes Stichwort. Du bist auch Ausbilderin für die SNV, zumindest beim DRK, richtig?

Denise Heggblum | 00:05:12 Genau, das stimmt.

Frank Nägler | 00:05:15 Du warst ja selber einmal Teilnehmer in einem deiner Lehrgänge und ich persönlich finde das unheimlich wichtig, dass es die Ausbildung gibt. Ich tue mich selber allerdings relativ schwer mit der Materie. Also ich weiß, dass bestimmte Situationen für Menschen belastend sein können und habe da auch Verständnis für. Ich selber habe es halt einfach noch nie so richtig erlebt. Was ist so deine Erfahrung aus den Lehrgängen, vielleicht auch was die Teilnehmer angeht? Bin ich da so ein Einzelfall?

Denise Heggblum | 00:05:46 Nee, das ist tatsächlich ganz unterschiedlich. Also es gibt durchaus Leute, die haben da auch eine klare Idee zu, haben selber auch schon mal belastende Einsätze erlebt. Und manchmal ist dann, also manchmal teilen die das dann durchaus auch in so Lehrgängen. Aber häufig sind eben auch eher noch Teilnehmer dabei, Teilnehmende dabei, die noch nicht so lange beim DRK sind. die da einfach wenig Berührungspunkte mit Einsätzen bislang hatten, für die das dann wirklich auch eher eine präventive Geschichte ist. Und dann geht es eben auch darum zu wissen, ach Mensch, woran erkenne ich denn eigentlich irgendwie, wenn mich was belastet? Das ist manchmal ja gar nicht so einfach zu erkennen bei sich selbst. Und was mache ich dann?

Manuel Behrenbruch | 00:06:29 Bei sich selbst und bei anderen.

Denise Heggblum | 00:06:31 Genau.

Manuel Behrenbruch | 00:06:32 Was ja der erste Schritt ist, zur Hilfe, dass man es überhaupt erkennt.

Denise Heggblum | 00:06:34 Genau.

Manuel Behrenbruch | 00:06:36 Gibt es, kann man sagen, woran erkennt man das? Also erstmal vielleicht bei dem Beispiel an sich selbst.

Denise Heggblum | 00:06:44 Also vor allem daran, dass man, also ganz häufig berichten Menschen, dass sie, dass sie unruhig sind, dass sie sich gestresst fühlen, dass sie dünnhäutig sind, also einfach auch schneller, schneller genervt sind oder, oder patzig reagieren, was sie so eigentlich von sich gar nicht kennen. Also es geht häufig in die Richtung, dass man irgendwie anders ist, als man das von sich selbst kennt.

Manuel Behrenbruch | 00:07:11 Wenn man sonst patzig ist und eher unruhig und ist plötzlich ganz ruhig und entspannt, kann das dann auch so rum?

Denise Heggblum | 00:07:16 Das könnte auch so rum funktionieren, ja. Das ist eine Veränderung. Genau, ich bin mal gefragt worden, was man mit einem Helfer macht, der auf einmal nach einem sehr langen Dienst sehr ruhig war. Und da hat man sich sehr Sorgen gemacht, weil der sonst immer ganz viel gequatscht hat. Am Ende war der schlicht einfach müde, weil das mitten in der Nacht war, aber sonst ging es dem gut. Aber genau, es ist anders als sonst.

Frank Nägler | 00:07:39 Manuel ist auch ständig müde. Der geht immer ganz früh ins Bett.

Manuel Behrenbruch | 00:07:41 Nee, ich bin ja nicht müde, weil ich früh ins Bett gehe. Wenn ich nicht früh ins Bett gehen würde, dann wäre das, glaube ich, schon so ein Alarmsignal, oder? Weil normalerweise bin ich Punkt 22 Uhr müde. So, wenn ich jetzt nach irgendeinem großen Einsatz um 22 Uhr nicht müde werde und ich bin es um 23 Uhr immer noch nicht und um Mitternacht auch noch nicht, dann ist es zumindest ein Zeichen. Irgendwas ist da.

Denise Heggblum | 00:08:01 Das heißt zumindest, dass du noch so unter Strom stehst, dass du noch nicht zur Ruhe finden kannst. Das ist jetzt erstmal nicht dramatisch, sondern das ist tatsächlich... Oft ja auch nach so längeren oder aufwühlenderen Einsatzszenarien normal. Das muss man dann halt ein bisschen beobachten. In der Regel klingt das von alleine ab.

Manuel Behrenbruch | 00:08:19 Ihr habt eben eingangs gesagt, dass du Einsatzkraft in der Krisenintervention bist. Das wäre dann ja in Hamburg das sogenannte KIT, das Kriseninterventionsteam. Magst du mal sagen, was du da machst?

Denise Heggblum | 00:08:30 Genau, also da bin ich tatsächlich klassisch Helferin. Das KIT gehört in den Bereich PSNVB. Wir werden alarmiert von anderen Einsatzkräften, in der Regel von der Polizei hier in Hamburg und betreuen da häufig Angehörige nach plötzlichen Todesfällen. Manchmal auch Menschen, die jemanden vermissen, weil noch jemand gesucht wird. Manchmal fahren wir mit der Polizei mit, wenn die die Todesnachricht überbringen. Aber sehr häufig geht es halt in dem Zusammenhang um das Thema Tod. Genau. Manchmal rutscht da auch mal irgendwie was zwischen, wie das wird auch mal Augenzeugen, Ohrenzeugen betreuen, Ersthelfer. Ich habe auch schon mal einen Schulsanitätsdienst betreut in dem Zusammenhang, die irgendwie einen blöden Einsatz in ihrer Schule hatten. Also das ist dann sehr, sehr unterschiedlich.

Manuel Behrenbruch | 00:09:30 Also da stelle ich mir das jetzt so vor, du gehst vermute gleichzeitig zusammen mit der Polizei in eine Wohnung und überbringst dann, ne du überbringst glaube ich nicht die Nachricht, sondern ihr macht das gemeinsam, wie funktioniert das?

Denise Heggblum | 00:09:42 Genau, also wenn es um das Überbringen einer Todesnachricht geht, also eine angehörige Person ist sozusagen außerhalb der Wohnung verstorben und die Angehörigen wissen halt noch nichts, dann ist es gesetzlich so geregelt, dass das die Polizei überbringen muss. Also die Polizei muss die... die blöde Nachricht aussprechen und wir können dann da bleiben und weiter betreuen, wenn es gewünscht wird. Hat was damit zu tun, dass wir natürlich dann auch sehr direkt, sehr am Anfang irgendwie unterstützen und auffangen können, also manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Genau, die Polizei dann als die Überbringer der schlechten Nachricht dann eben also ein Stück weit verbrannt sind sozusagen, die sind damit verbunden. Und die haben natürlich auch im laufenden Einsatzdienst auch möglicherweise gar nicht so viel Zeit.

Manuel Behrenbruch | 00:10:36 Aber ihr habt sie.

Denise Heggblum | 00:10:38 Genau. Wir bleiben dann eben so lange, wie es notwendig ist. Das ist mal eine Stunde, das wäre sehr kurz. Manchmal sind es halt auch vier oder fünf Stunden.

Frank Nägler | 00:10:47 Ihr seid aber nicht nur beim Überbringen von Todesnachrichten dabei, sondern auch zum Beispiel bei einer Amoklage oder bei größeren Schadensereignissen?

Denise Heggblum | 00:10:57 Ja. Genau, also auch da werden wir zu alarmiert. Also wir sind genauso wie andere Einsatzkräfte im DRK Teil des Katastrophenschutzes und werden aber auch zu größeren Schadenslagen von der Polizei dazu geholt. Also Amoklauf, große Unfälle, genau.

Frank Nägler | 00:11:20 Unterscheiden sich da die Einsätze für euch oder ist das quasi immer das Gleiche? Oder ist das ein Unterschied, ob ihr eine Todesnachricht überbringt oder halt in so einer Amoklage betreut?

Denise Heggblum | 00:11:31 Ja, das ist ein totaler Unterschied. Also das ist wie im Rettungsdienst, wenn man sozusagen zum verstauchten Fuß kommt oder zum Massenunfall auf der Autobahn. Das ist natürlich eine ganz andere Einsatzstruktur, die dahinter steckt. Das ist eine ganz andere Dynamik. Da ist bei allen Einsatzkräften auch noch eine ganz andere Anspannung manchmal vorhanden. wirklich um die Frage geht, läuft da vielleicht noch jemand mit einer Schusswaffe, mit einer Messerfreiung irgendwie. Das ist ja manchmal am Anfang auch noch gar nicht so klar. Und das ist auch ein wahnsinniger Vertrauensbeweis, dass wir da tatsächlich so früh schon mit involviert werden als KIT.

Frank Nägler | 00:12:10 Das ist aber auch für die Betroffenen tatsächlich ein Unterschied. Das ist einfach ein anderes Szenario, oder?

Denise Heggblum | 00:12:15 Ja, absolut.

Frank Nägler | 00:12:16 Also die Gefühlslage ist quasi eine andere bei den Betroffenen.

Denise Heggblum | 00:12:20 Absolut. Also es hängt da natürlich immer davon ab, wo an welcher Stelle man dann auch bei so großen Schadenslagen dann eingesetzt ist. Ob eben relativ dicht dran, zum Beispiel bei den Menschen, die noch als Zeugen befragt werden sollen von der Polizei oder die da direkt als Augenzeugen irgendwie vor Ort waren. Oder ob man dann so ein bisschen mit etwas mehr Abstand irgendwo hinfährt, um zum Beispiel dann eine Todesnachricht mit zu überbringen.

Frank Nägler | 00:12:50 Ja, verstehe ich.

Manuel Behrenbruch | 00:12:51 Wir wollen im Laufe dieser Folge oder relativ bald gleich mal über deine Erlebnisse im Ahrtal sprechen. Das war vermutlich einer der größten Einsätze.

Denise Heggblum | 00:12:59 Ja, also definitiv im Bereich PSNV, ja.

Manuel Behrenbruch | 00:13:03 Vorher dazu vielleicht nochmal was Technischeres. Die Position PSNV ist eine Stabsposition. Das heißt, in so großen Einsatzlagen, das wissen bestimmt viele, führt man in Stabsformationen und da ist der S7 quasi dafür zuständig. Das Thema PSNV im Stab zu vertreten, das ist nicht immer so gewesen, das ist auch noch gar nicht so lange so und es wird auch immer mal wieder darüber gesprochen, ob das denn so richtig ist. Wie denkst du darüber, über die Bedeutung im Stab?

Denise Heggblum | 00:13:30 Also ich glaube, das Thema braucht im Stab auf alle Fälle eine Berechtigung. Ob man das jetzt S7 nennt oder ob man das jetzt Fachberater nennt, da bin ich relativ meinungslos, ehrlich gesagt. Wichtig ist, dass es da vertreten wird, weil es einfach an ganz, ganz vielen Stellen total relevant ist und einfach sehr früh da auch Weichen gestellt werden können, sowohl für Betroffene als auch für Einsatzkräfte. Und gerade das Ahrtal oder der Einsatz im Ahrtal hat das einfach auch nochmal sehr, sehr deutlich gezeigt.

Manuel Behrenbruch | 00:14:02 Frank, hast du noch Fragen in Richtung PSNV oder KIT oder wollen wir in…

Frank Nägler | 00:14:06 Ach, ich glaube, da können wir noch eine Stunde drüber reden, aber mich interessiert tatsächlich auch das Ahrtal mehr als

Manuel Behrenbruch | 00:14:11 PSNV. Es muss irgendwann den Moment gegeben haben, wo du… gemerkt hast, da ist irgendwo ein Hochwasser in Deutschland. Irgendwann hast du das erste Mal davon gehört. Erinnerst du dich noch an den Moment?

Denise Heggblum | 00:14:22 Naja, ich wüsste jetzt nicht genau, wann das war. Also das wird irgendwann am 15.07. gewesen sein. 21. Das war ja in der Nacht sozusagen davor. Am Tag vorher hat meine Schwester Geburtstag. Insofern ist das Datum natürlich relativ bekannt. Oder in meinem Kopf. Aber ich wüsste jetzt nicht mehr genau, wann wie wo.

Manuel Behrenbruch | 00:14:43 Gab es da einen Moment, wo du wusstest, da werde ich wohl hinfahren?

Denise Heggblum | 00:14:47 Ja, der war aber erst ein paar Tage später tatsächlich. Also am Anfang war das jetzt so eine Erinnerung, noch gar nicht so klar, wie krass das eigentlich ist, was da passiert.

Frank Nägler | 00:14:58 Ich glaube, das ging vielen so. Also gerade in den ersten Tagen, ja, da war ein bisschen Wasser. Das hat keiner so richtig für voll genommen, welches Ausmaß das eigentlich hat. Ich glaube, das kam erst viel, viel später in der Berichterstattung deutlicher raus, wie groß das eigentlich geworden ist.

Manuel Behrenbruch | 00:15:11 Also ich habe mich erinnert, dass ich das auch nur so halb wahrgenommen habe und dann hörte ich irgendwann von Anzahl Verletzte, Vermisste, Anzahl von Toten und da dachte ich, Moment mal, jetzt hier in Deutschland? Ich weiß die Anzahl der Toten und vermissten nicht mehr, aber sie waren riesig und sind riesig. Und das war so für mich der Moment, wo ich, ich bin Auto gefallen und musste kurz anhalten. Moment, ich habe irgendwas verpasst, ist mir so aufgefallen. Hattest du den auch in dem Moment?

Denise Heggblum | 00:15:35 Ja, aber tatsächlich noch einen Tag später. Also ich habe das wohl mitgekriegt, nun sind wir in Hamburg natürlich auch irgendwie so ein bisschen Hochwasser erfahren, irgendwie, dass der Frischmarkt jetzt unter Wasser steht, ist jetzt hier auch irgendwie gängig. Insofern denkt man jetzt bei dem Schlagwort Hochwasser erstmal noch nicht so weit. Aber tatsächlich, also als es dann wirklich um den Punkt ging, okay, da sind offensichtlich Leute verstorben irgendwie. Das war schon so ein Moment, wo ich dachte, okay, das ist schon größer. Aber da habe ich noch in keinster Weise daran gedacht, dass es da einen riesen PSNV-Einsatz geben wird.

Manuel Behrenbruch | 00:16:08 Und dann wurdest du alarmiert?

Denise Heggblum | 00:16:09 Genau, wir sind tatsächlich das erste Mal alarmiert worden, relativ kurz danach, am 17.07. habe ich nachgeguckt, über den behördlichen Einsatzstab in Mainz. Da kamen dann über die Alarmwege, übers Generalsekretariat und dann hier die Landesbereitschaftsleitung, eben klingelte mein Telefon irgendwie und dann hieß es eher, PSNV wird alarmiert, die brauchen 100 Leute.

Manuel Behrenbruch | 00:16:35 100?

Denise Heggblum | 00:16:36 So, wo ich dann dachte, okay, krass, das hatten wir so auch noch nicht. Also wir waren einmal irgendwie mit einem Kit außerhalb von Hamburg eingesetzt, das war 2013 beim Elbehochwasser. Mit, ich glaube, drei Leuten oder fünf Leuten.

Manuel Behrenbruch | 00:16:53 Und das war kein kleines Hochwasser?

Denise Heggblum | 00:16:55 Nee. Das war halt deutlich weniger dynamisch. So, das hat den Unterschied da gemacht. Aber 100 PSNV-Kräfte anzufordern, bedeutet ja, dass es irgendwie auch, keine Ahnung, 1000 Feuerwehrler, THWler, sonstige Einsatzkräfte braucht irgendwie, bis man an dem Punkt dann angekommen ist, so im Vergleich. Da hat sich dann aber tatsächlich an dem Abend auch noch wieder, gab es wieder einen Abspann. Also da gab es einfach Einsatzformationen mit PSNV, die deutlich dichter räumlich dran waren, sodass Hamburg dann eben auch erstmal wieder zurückgetreten ist. Genau, aber das war so der Moment, wo ich dachte, okay, vielleicht gehe ich das doch jetzt nochmal gedanklich durch, kriege ich das organisiert, dass ich gegebenenfalls auch von der Arbeit wegkomme.

Frank Nägler | 00:17:43 100 Einsatzkräfte klingt… Erstmal finde ich jetzt persönlich nicht so viel. Also wenn wir es mit Sanitätsdienst oder sowas vergleichen, dann reden wir über so und so viele Patienten, die wir pro Stunde irgendwie durch einen Behandlungsplatz schleusen. Kann man das im PSNV-Bereich irgendwie konkretisieren? Für wie viele Personen sind 100 Einsatzkräfte gedacht?

Denise Heggblum | 00:18:07 Also da gibt es nicht so feste Regelungen wie im medizinischen Bereich. Was brauche ich für eine rote Person und so weiter. Man sagt so ganz bummelig, wenn ich von Erwachsenen ausgehe, rechne ich einer PSNV-Kraft auf zehn Betroffene, wobei das halt auch wirklich grob über den Daumen gepeilt ist. Und wenn viele Kinder betroffen sind, dann brauchst du natürlich mehr Kräfte, weil die intensivere Betreuung brauchen. Aber insofern war das tatsächlich schon eine Anforderung, wo ich dachte, okay, da hat jemand irgendwie dieses Prinzip Think Big irgendwie.

Manuel Behrenbruch | 00:18:47 Und dann gab es, du hast es eben ersten Alarm genannt, dann gab es ein Abspannen, also abbrechen, kein Einsatz. Und dann gab es dann doch nochmal den Moment.

Denise Heggblum | 00:18:56 Genau, und dann sind wir tatsächlich am also eine gute Woche nach Start der Katastrophe, sind wir dann nochmal alarmiert worden und sind dann tatsächlich auch losgefahren.

Manuel Behrenbruch | 00:19:12 Was fühlt man auf dem Weg?

Denise Heggblum | 00:19:13 Also wir sind in zwei Teams oder ja, zwei Teams zeitversetzt gefahren. Im ersten Team bin ich nicht mitgefahren. Das waren, also im ersten Team waren wir, glaube ich, sieben gefahren oder acht, das weiß ich nicht mehr genau. Da war ich zu Hause und habe so ein bisschen Backoffice gemacht und hier in Hamburg auch den Regeldienst vom KIT organisiert, damit der weiter besetzt ist. Da habe ich halt parallel geguckt, Mensch, die, also was macht das KIT? Das KIT… Betreut Angehörige oder betreut Menschen in den ersten Stunden und verweist dann an weitere Stellen, die das dann langfristig übernehmen können. Und ich habe dann hier am Rechner gesessen und habe überlegt, naja, googelst du mal, was gibt es denn da, so an psychosozialen Anlaufberatungsstellen. Und auf jeder Internetseite, die ich aufgerufen habe, stand irgendwie, aufgrund des Hochwassers könnten wir unser Angebot nicht aufrechterhalten. Das war so ein Moment, wo ich dachte, okay, da steht nichts mehr.

Manuel Behrenbruch | 00:20:15 Er hat, glaube ich, vermutlich ziemlich viele Gedanken auf dem Weg, wenn du dann losgefahren bist.

Denise Heggblum | 00:20:19 Genau, also ich bin dann tatsächlich mit dem zweiten Team gefahren, das war dann irgendwie am 26.07. Genau, und da… Da hat man natürlich auch relativ lange Zeit zum Denken, weil der Weg relativ lang ist. Das Wetter war einfach auch noch schlecht. Wir haben uns da dann tatsächlich auf der Anfahrt schon auch noch mal untereinander sehr ausgetauscht. Also wir hatten so ein bisschen Rückmeldung von dem ersten Team, was da war. Also auch durchaus mit sehr, sehr eindrücklichen Beschreibungen von dem Ganzen. Und haben uns dann natürlich so ein bisschen darüber ausgetauscht, womit wir rechnen, was wir erwarten, auch so ein bisschen was so Sorgen sind. Und was wir tatsächlich auf der Anfahrt ganz doll gemacht haben, wir haben Funken geübt.

Manuel Behrenbruch | 00:21:11 Ja, das spielt wahrscheinlich im Alltag im KIT eine kleinere Rolle als in so einer Katastrophe.

Denise Heggblum | 00:21:16 Genau, sonst sind wir halt zu zweit an einer Einsatzstelle. Die ist in der Regel statisch, also manchmal fahren wir mit den Betroffenen nochmal irgendwo hin, aber das läuft dann, wenn dann über Telefon. Und nun wussten wir ja aber, okay, da steht einfach nichts mehr. Also es gibt kein Handynetz mehr, das wird alles nicht funktionieren. Wir werden funken müssen. Für mich ist das jetzt unkritisch, ich kenne es aus dem Sanitätsdienst, aber wir haben halt einfach da auch Kollegen, Kolleginnen, die haben das mal irgendwie an einem Wochenende in der Ausbildung gelernt und danach nie wieder. Ging natürlich jetzt mit zwei Autos auf der Anfahrt ganz gut hin und her zu funken.

Manuel Behrenbruch | 00:21:53 Das ist schon, ich finde, gar kein richtiges Wort dafür. Also wenn ich mir vorstelle, in deine Haut zu stecken, hätte ich andere Sorgen auf dem Weg zum Einsatz, als nicht richtig funken zu können. Das zeigt schon auch, wie professionell ihr da scheinbar drauf vorbereitet seid.

Denise Heggblum | 00:22:06 Nein, also letztlich weißt du eh nie, was dir da über den Weg läuft. Und dann ist es aber einfach ein Handwerkszeug, das du kannst. Und das hilft dir dann sozusagen im Kopf. Freiraum zu haben für das, was die Betroffenen brauchen, auf die du triffst. Also wenn du jetzt keine Gehirnkapazitäten dafür verschwenden musst, welche Taste muss ich jetzt drücken?

Frank Nägler | 00:22:27 Ich glaube, das ist genauso wie beim Sanitätsdienst. Also als Sanitäter hast du auch gelernt, was du tun musst und machst dir auch nicht so viele Gedanken, was da vielleicht auf dich zukommt, sondern lässt es einfach darauf zukommen. Und wenn der Patient vor dir liegt, weißt du schon, was zu tun ist. Kann man das vergleichen?

Denise Heggblum | 00:22:43 Ja, das ist sicherlich so, ja. War dann nachher nochmal wieder ein bisschen anders, auch von dem Aufgabenspektrum, was uns erwartet hat. Aber genau, das war halt einfach Handwerksteuch nochmal auffrischen.

Frank Nägler | 00:22:57 Wie war das, als ihr dort angekommen seid? Also irgendwann ist ja auch so eine Autofahrt mal vorbei. Wie wurdet ihr empfangen?

Denise Heggblum | 00:23:04 Genau, es gab ja einen großen Bereitstellungsraum am Nürburgring und auf diesem riesen Bereitstellungsraum, der wirklich voll... gepackt war irgendwie mit mit einsatzkräften in allen bunten farben gab es noch mal einen etwas abgesetzten bereich wo die psnv untergebracht war also die psnv hatte eben einen eigenen ja ein eigenes zuhause Im eifel stadl habe ich noch mal nachgeguckt Gasthof oder was war das ja das ist irgendwie also eine großraum disco da haben wir übernachtet auf feldbetten ganz romantisch irgendwie Und da ist aber auch, sonst ist da irgendwie Gastro und irgendwie Hotel oder so. Genau, das ist einfach ein bisschen, ja, wie so ein dreiseitiges, dreiseitiger Gebäudekomplex, wo man auch so ein bisschen geschützt ist.

Manuel Behrenbruch | 00:23:59 War das das Sanitätszentrum?

Denise Heggblum | 00:24:02 Nee, das war das PSNV-Zentrum.

Manuel Behrenbruch | 00:24:04 Das meine ich ja, das PSNV-Zentrum.

Denise Heggblum | 00:24:06 Ja,

Manuel Behrenbruch | 00:24:06 genau. Genau, wegen so das Wort Zentrum. Ja. Weil das habe ich noch nie gehabt. Ist das Wort da erfunden worden? Ja. Also ein PSNV-Zentrum? Glaube ich, haben wir noch nie gebraucht.

Denise Heggblum | 00:24:14 Ja, das ist da tatsächlich sozusagen in die Wege geleitet worden. Und da hing eben auch ein Banner sozusagen, wo das drauf gedruckt war. Da gibt es eine ganz nette Anekdote zu, die vielleicht so ein bisschen die Stimmung widerspiegelt, die da geherrscht hat. Da waren die Logos von verschiedenen Hilfsorganisationen, die beteiligt waren, drauf gedruckt. Und eine ist vergessen worden. Und wenn man auf so ein Logo eine Hilfsorganisation nicht mit drauf druckt, dann kann das ja durchaus irgendwie über Generationen zu irgendwelchen Fäden führen, weil man sich nicht mehr mag. Die betroffene Organisation hat ihre Fahne einfach daneben gehängt. Und dann war das Ding durch. Das war einfach ein unfassbar kollegiales Miteinander. Von völlig unterschiedlichen Einsatzkräften an der Stelle.

Manuel Behrenbruch | 00:25:07 Was war denn da? Frank, du wolltest was sagen?

Frank Nägler | 00:25:08 Ich hätte nochmal zu sagen, haben alle Hilfsorganisationen PSNV-Kräfte oder gibt es auch tatsächlich Organisationen, die da gar nicht mit dabei sind?

Denise Heggblum | 00:25:19 Also das waren ja nur Kräfte, die wirklich bundesweit zusammengezogen worden sind. Und ich meine, da waren wirklich auch alle HIOGs vertreten. Da war auch Notfall, also Kirche, Notfallseelsorge klassisch vertreten. Da war die DLRG vertreten.

Manuel Behrenbruch | 00:25:33 Jetzt niemanden vergessen.

Denise Heggblum | 00:25:35 Ja genau, also es waren alle irgendwie vor Ort. Alle mit dabei, das finde ich gut.

Manuel Behrenbruch | 00:25:40 Ja vor allen Dingen ist es so schön, dass man dann in solchen Situationen wirklich zusammenarbeitet.

Denise Heggblum | 00:25:44 Total, also auf einem wirklich hohen professionellen Level in einer Situation, die es ja für keinen vorher gab. Und die ja auch in der Örtlichkeit für alle fremd waren, weil die ortsansässigen Kräfte, die waren ja nun selber betroffen. Also die konnten ja, die waren ja gar nicht handlungsfähig an der Stelle. Das heißt, es kamen ja alle von weiter weg.

Manuel Behrenbruch | 00:26:06 Was war dein erster Auftrag?

Denise Heggblum | 00:26:11 Mein erster Auftrag, also wir sind den Tag angekommen und haben den Tag dann auch tatsächlich nichts mehr gemacht. Wir haben noch so ein bisschen Übergabe gemacht mit den Kräften, die dann nach Hause gefahren sind, die also auch echt Also körperlich einfach angestrengt waren, weil klar, irgendwie wenig geschlafen und so. Und den nächsten Tag sind wir geschickt worden in einen Ort und sollten da ein Lagebild, ein psychosoziales Lagebild irgendwie erkunden. Und da haben wir noch ein neues Wort irgendwie, das war vorher auch noch nicht so bekannt. Wir haben halt nicht mehr so gearbeitet wie sonst. Sonst haben wir halt eine Alarmierung zu. Frau Meier-Müller-Schulze, die ist zu betreuen, weil und die Polizei ist vor Ort. Und dann fahren wir halt zur angegebenen Adresse und betreuen halt Frau Meier-Müller-Schulze und vielleicht noch die Nachbarin, die dazu kommt und dann ist fertig so. Und nun hatten wir ja aber gar nicht irgendwie eine festgelegte Adresse und einen festgelegten Namen und irgendwie jemanden, der besonders hilfsbedürftig war, sondern es waren irgendwie alle hilfsbedürftig und es gab aber auch keine Adressen in dem Sinne mehr und auch kein Telefon, also so. Also diese ganzen Alarmierungswege waren ganz andere und wir haben im Grunde genommen ganz viel so fast Straßensozialarbeit gemacht. Also wir sind in Orte gefahren und haben geguckt, wie geht es den Leuten, braucht jemand irgendwie ein Gespräch, braucht jemand irgendwie weiterführende Unterstützung, können wir irgendwie was Sinnvolles organisieren. Aber ohne, dass das so ganz konkret auf einzelne Personen bezogen war.

Frank Nägler | 00:27:50 Seid ihr da selbstständig? in die Orte gefahren oder gab es da auch Alarmierungen, also fahrt mal in A-Dorf, B-Dorf, wie auch immer?

Denise Heggblum | 00:27:57 Sowohl als auch. Also es gab eine Einsatzleitung vor Ort für den Bereich PSNV aus einer sehr erfahrenen Einsatzkraft, der nicht wusste, was PSNV ist. Das hat er gelernt. Und einem PSNV-Fachberater-Team, die sehr unterschiedliche Führungserfahrungen mitgebracht haben. Und in der Kombination ist schon geguckt worden, dass alle Orte eben auch entsprechend irgendwie ähm... angefahren wurden. Es gab aber immer auch mal Meldungen aus einzelnen Stellen, auch von Sanitätskräften vor Ort zum Beispiel, die gesagt haben, Mensch, wir haben hier irgendwie jemanden, um den machen wir uns Sorgen, könnt ihr da morgen mal jemanden vorbeischicken. Genau, das war mein erster Einsatz. Da war ich bei einem älteren Herrn, der da in dem, ja die hatten da so einen KTW stehen als mobiles Erste-Hilfe-Zentrum, da war der irgendwie aufgefallen. Weil der irgendwie so ein bisschen durcheinander wirkte und die sich da sehr Sorgen gemacht haben. Und der war halt sehr damit beschäftigt, irgendwie noch in seinem Haus rumzuräumen, also den Schlamm da rauszukriegen und war dabei so zu gucken, was kann man denn jetzt noch gebrauchen. Und weil der ja so am Tun war, habe ich nur irgendwie versucht, irgendwie Kontakt zu dem zu kriegen und mit dem so ins Gespräch zu kommen. Und insofern saßen wir dann irgendwie vor seinem Haus und haben Hundefutterdosen irgendwie vom Schlamm befreit und abgewaschen.

Manuel Behrenbruch | 00:29:25 Gemeinsam.

Denise Heggblum | 00:29:26 Gemeinsam, genau. Und haben uns dann darüber unterhalten, was er so erlebt hat und wie es ihm geht und wo er untergekommen ist und so weiter. So und der war sichtlich nach wie vor schwer, schwer mitgenommen von dem Ganzen. Für den war aber auch klar, okay, er hat seinen Hund, der ist in einer Pension untergekommen irgendwie, da ist der Hund irgendwie, für den will er jetzt irgendwie die Dosen holen und dann muss er halt Stückchen für Stückchen gucken, wie es weitergeht.

Manuel Behrenbruch | 00:29:56 Glaubst du, er erinnert sich an die Situation oder macht man das wirklich? Ja, mit einem leeren Blick, mit leeren Gedanken.

Denise Heggblum | 00:30:07 Also möglicherweise wird er sich erinnern, dass da Menschen waren, die ihm geholfen haben. Also ein oder zwei Tage später hatte der dann irgendwie tatsächlich auch eine Reihe von so freiwilligen, ungebundenen Helfern da an der Seite mit Schippe und Besen, die dann da auch nochmal sehr tatkräftig mit angepackt haben. Und ich glaube, in der Summe wird der wissen, okay, da waren Menschen, die haben mir geholfen. Ohne zu fragen, warum, wieso, weshalb. Sondern die waren halt da. Aber ich glaube nicht, dass der sich da an ganz einzelne Gesichter unbedingt erinnern wird.

Manuel Behrenbruch | 00:30:38 Das sind ja Notfälle, die einmal, oder psychosoziale Notfälle, die einmal darum gehen, dass jemand jemanden verloren hat, einen Menschen. Aber auch ganz viel Hab und Gut. Es gibt Menschen, die ihre Häuser komplett verloren haben. Ich glaube, es gibt Menschen, von denen die Häuser nicht mehr existieren. Das waren eigentlich so, wenn ich es richtig verstehe, die beiden Haupt...

Denise Heggblum | 00:31:01 Ja, und ganz viel, ganz viel dazwischen. Also ganz viel, also da sind einfach ganz viele Menschen auch gewesen, die ja in dieser Flutnacht wirklich hochbelastende Situationen erlebt haben. Also die haben ja zum Teil einfach über Stunden auf dem Dach gesessen irgendwie mit Kleinkindern, ohne zu wissen, wann kommt da jemand. Es gibt Einsatzkräfte, die sind alarmiert worden, weil ein Kind in einem Baum saß und auf der Anfahrt hieß es dann, ne ihr könnt abdrehen irgendwie, wir hören das Kind nicht mehr. Da sind Campingplätze überflutet worden, da waren Einsatzkräfte, die da sozusagen ja eben auch Schutt weggeräumt haben und Tote gefunden haben, die im Wasser lagen. Die da... potenziell gefährliche Dinge bewegt haben, wie Gasflaschen oder so. Da sind Friedhöfe überspült worden, so mit allem, was dazugehört. Also da sind, ja, neben dem ganzen Materiellen und dem Versterben von Menschen irgendwie, sind da halt ganz viele belastende Situationen zusammengekommen, glaube ich. Für jeden Einzelnen sicherlich sehr individuell unterschiedlich, aber genau, ganz, ganz viele verschiedene Sachen einfach.

Manuel Behrenbruch | 00:32:29 Gab es auch Situationen, wo ihr mit Menschen in ihr Haus zurückgegangen seid, um zu gucken, was ist noch da, was ist nicht da? War das auch Aufgabe?

Denise Heggblum | 00:32:38 Nee, das war bei uns tatsächlich gar nicht mehr so das Thema. Da waren viele Menschen da und haben aufgeräumt. Also da waren die Orte so nicht mehr gesperrt. Das hat eher tatsächlich nochmal die Gruppe getroffen, die sozusagen in der ersten Runde da waren. Da waren ja einfach zum Teil Orte noch abgeschnitten von der Außenwelt. Also es gab einen Ort, der einfach über Tage nur mit dem Hubschrauber erreichbar war. Und da ist tatsächlich die PSNV mit dem Hubschrauber eingeflogen worden. Das gab es vorher auch so noch nicht.

Frank Nägler | 00:33:15 Ich frage mich die ganze Zeit. Das sind ja auch, wie du schon sagst, sehr belastende Situationen. Brauchen PSNV-Kräfte, um das zu verarbeiten?

Denise Heggblum | 00:33:27 Ja, also PSNV-Kräfte brauchen vor allem ein gutes Team. Wir haben tatsächlich jeden Abend zusammengesessen und haben uns ausgetauscht, was jeder so mitgekriegt hat, weil wir ja auch sehr verteilt waren über die Gegend. Und haben immer auch so ein bisschen geguckt, wie geht es dir, wie geht es mir. ist alles gut und womit wir halt viel arbeiten, ist dann eben auch Supervision. Also wir haben auch tatsächlich relativ kurz nachdem wir zurück waren auch eine Supervisionssitzung gehabt für die Leute, die da im Ahrtal waren. Supervision bedeutet im Grunde genommen, dass da eine externe, fachlich fähige Person dazu kommt. Man bespricht in der Gruppe, ob es belastende Momente gab und die dann einfach nochmal gemeinsam sortiert.

Manuel Behrenbruch | 00:34:25 Du hast den Mann erwähnt, mit dem du die Hundefutterdosen geputzt hast. Gibt es noch andere Betroffene, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Denise Heggblum | 00:34:33 Ich habe tatsächlich verhältnismäßig viel auch mit Einsatzkräften zu tun gehabt, weil ich da auch für qualifiziert bin. In Erinnerung ist mir auf alle Fälle noch eine THW-Führungskraft, da waren wir in einem anderen Ort irgendwie, ich weiß gar nicht mehr genau, mit welchem Auftrag, die trafen wir da zufällig, der dann irgendwie sagte, Mensch ja. Und ich bin mit meinen Leuten hier und wir haben hier irgendwie auch den Auftrag aufzuräumen irgendwie und eben also Schutt zu sortieren und wegzuräumen und die machen das alles super. Und eigentlich ist der Raum hier oder die Fläche, die wir hier räumen sollen, auch freigegeben, die ist abgesucht. Eigentlich darf da keiner mehr sein, der irgendwie verstorben ist, aber man weiß es halt auch nie. Es werden ja immer noch Leute versucht, vermisst und gesucht. Und ich frage die immer, ob... morgens, ob alles gut ist, ob alle gut geschlafen haben, aber hast du eine Idee, kann ich noch irgendwas besser machen? Also das fand ich so sehr eindrücklich, wie sehr diese Führungskraft einfach auch, wie sehr der um seine Helfer auch besorgt war.

Frank Nägler | 00:35:44 Und welchen Tipp hast du ihm geben können?

Denise Heggblum | 00:35:46 Ich habe ihn vor allem darin bestärkt, das so weiterzumachen. Also dieses da zu sein und nachzufragen, hey, geht's euch gut? Und Das macht einfach auch eine Offenheit, dafür sagen zu können, ich kann nicht mehr, ich brauche eine Pause, ich muss heute aussetzen. Und das muss erlaubt sein. Und das ist manchmal in so Einsatzkräfteszenarien nicht so üblich oder noch nicht so üblich, dass man das so sagen darf.

Frank Nägler | 00:36:15 Ja, es ist… Ich beschäftige mich ja auch seit langem mit PSNV, auch aufgrund meiner Tätigkeit beim DRK, weil ich auch glaube, dass das sehr wichtig ist. Ich habe auch selber schon Situationen erlebt, wo ich gemerkt habe, dass es den Einsatzkräften einfach nicht gut ging und dass die halt Hilfe braucht. Aber ich glaube gerade, das erkennen zu können und dann entsprechend jemanden zu haben, der damit umgehen kann,

Manuel Behrenbruch | 00:36:36 das ist… Das ist sich eingestehen wahrscheinlich auch,

Frank Nägler | 00:36:38 ne? Ja, genau.

Denise Heggblum | 00:36:41 Ja, und man muss halt auch sehen, also gerade so bei diesem… Diese Einsatzbegleitung oder auch im Englischen heißt das On-Scene-Support, das sind hochqualifizierte, hochprofessionelle Leute, Ehrenamt hin oder her, aber das sind Profis in dem, was sie da tun. Ob jetzt THW, Feuerwehr oder sanitätsdienstliche Geschichten, die kann ich da halt auch einfach nicht unvorsichtig aus ihrem Funktionieren rausholen. Also dieses Funktionieren und Machen-Können ist halt auch ein ganz großer Schutzfaktor. Und belastend werden Situationen vor allem dann, wenn ich das Gefühl habe, ich kann nichts tun. Also ich bin dem hilflos ausgeliefert. Und solange ich aber funktioniere, dann merke ich das möglicherweise hinterher. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich es gut verarbeite, die ist halt deutlich höher an der Stelle. Und da brauchst du immer so ein bisschen Fingerspitzengefühl und nicht zu viel und nicht zu wenig.

Frank Nägler | 00:37:39 Die gesunde Mischung.

Manuel Behrenbruch | 00:37:41 Das klingt vielleicht komisch, aber gibt es Momente, an die du gerne zurückdenkst?

Denise Heggblum | 00:37:45 Ja, durchaus. Also ich habe einen Wahnsinnsrespekt vor den Menschen da, also vor den Menschen, auch den Anwohnern, die ich da getroffen habe, die sich hingestellt haben, irgendwie wirklich in einem absolut zerstörten Abschnitt, wo einfach nichts mehr steht, also wo halbe Häuser fehlen, wo man denkt, eigentlich sieht das aus, als wären hier Bomben explodiert. Die sich da hinstellen und sagen, ja. Das ist übel, aber wir kriegen das hin. Das wird hier wieder schön und wir wollen hier bleiben. Also das fand ich hoch beeindruckend. Es gab ganz viel kollegiales Miteinander. Also wir sind halt auch viel dann angefahren, so die Stellen, wo Verpflegung ausgegeben wurde und so weiter, weil da die Leute halt so ein bisschen zur Ruhe gekommen sind, wenn die da am Aufräumen waren, am Fegen waren. Schlammschippen waren, dann haben die keinen Bock darauf, sich mit irgendwelchen Leuten in Liederweste zu unterhalten. Da haben wir mal Traubenzucker verteilt oder ein Pflaster, aber ansonsten wollten die ihre Sachen machen. Und Ruhe und Zeit für Gespräche war halt da, wo die Leute eben dann auch Pause gemacht haben. Und da ist uns immer Essen angeboten worden, da sind uns immer Getränke angeboten worden, da wurden wir immer mit offenen Armen empfangen. So, also auch Wenn mit Sicherheit einsatztaktisch nie alles zu 100 Prozent optimal gelaufen ist oder so, das geht glaube ich bei der Größenlage auch gar nicht, war das immer ein sehr freundliches, ein sehr kollegiales, tolles Miteinander. Absolut.

Manuel Behrenbruch | 00:39:33 Habt ihr euch dann in so Essenssituationen einfach auch mal unter die Einsatzkräfte gemogelt? Oder saßt ihr wirklich da so an so einem Stuhl und habt gesagt, wenn ihr sprechen wollt, kommt her? Oder ist das eher so ein, ich setze mich einfach mal dazu?

Denise Heggblum | 00:39:44 Das war eher so ein, ich setze mich einfach mal dazu, also ein Hallo, wir sind hier irgendwie, haben uns bei der Verpflegungsausgabe vorgestellt und gesagt, hier Mensch, wir sind die und die. Die haben im Zweifelsfall auch einen ganz guten Überblick gehabt bei der Bevölkerung, wer da vielleicht auch besonderen Bedarf hatte. Also da gibt es ja auch eine unterschiedliche, also die einen sind mehr belastet, die anderen weniger. Belastet sind sie alle, aber. Da hatten die einen super Blick für. Manchmal haben wir mit denen gequatscht, weil die natürlich auch viel abkriegen an der Essensausgabe, weil die Leute da stehen und quatschen. Und manchmal haben wir uns einfach dazu gesetzt oder wurden tatsächlich auch sehr aktiv aufgefordert, uns dazu zu setzen. Und dann wurden Fragen gestellt, was weiß ich irgendwie, wo ist der nächste Hausarzt, der überhaupt erreichbar ist oder Also so ganz banale Alltagsdinger einfach. Und Hausarztpraxen und Namen über Funk zu buchstabieren ist übrigens auch für erfahrene Funker nicht so einfach.

Manuel Behrenbruch | 00:40:43 Und das, obwohl ihr geübt habt auf der Hand.

Denise Heggblum | 00:40:45 Korrekt.

Manuel Behrenbruch | 00:40:47 Ja, das ist ein Thema, was dann wirklich auch sprachlos macht. Also da fällt einem wirklich schwer, was Kluges zuzusagen, weil es beeindruckende Erlebnisse sind. Du sitzt hier und lächelst, auch wenn sie es nicht sehen können. Das heißt, dir geht es gut mit diesem Einsatz. Und, ähm... Wir sind am Ende. Wir haben jetzt schon deutlich länger geredet, als wir das eigentlich machen. Ich glaube, du könntest aber auch noch eine Stunde lang berichten.

Denise Heggblum | 00:41:11 Ja, waren ereignisreiche Tage.

Manuel Behrenbruch | 00:41:13 Vermute ich, ja.

Frank Nägler | 00:41:14 Könnte auch noch stundenlang zuhören.

Manuel Behrenbruch | 00:41:16 Ja, das ist so. Hast du vielleicht, wollen wir zur letzten Frage kommen, noch irgendwelche Wünsche in Richtung PSNV? Sei es an Einsatzkräfte, sei es in Richtung Akzeptanz an Bevölkerung. Gibt es irgendwas, wo du sagst, da möchte ich nochmal einen Appell loswerden?

Denise Heggblum | 00:41:31 Also ich glaube, der geht so eigentlich an alle. Das ist kein Hexenwerk, was wir da tun, sondern gerade so in so Akutsituationen da zu sein, das kann tatsächlich jeder. Da geht es vor allem um Mitmenschlichkeit, da geht es nicht um hochqualifizierte Spezialausbildung, sondern da geht es darum, da zu sein, zu sagen, hey, ist kacke alles, irgendwie verstehe ich, ich bin jetzt da, ich heile es mit dir aus. So viel mehr braucht es manchmal gar nicht.

Manuel Behrenbruch | 00:41:57 Das ist ein gutes Schlusswort. War wirklich schön, dir zuzuhören. Ich weiß nicht, ob man sagen darf, es war interessant. Wie gesagt, es fällt einem schwer, die richtigen Worte dafür zu füttern. Ich habe gerne zugehört, ich habe eine Menge gelernt, eine Menge erfahren. War ein beeindruckender Einsatz für dich. Mir bleibt eigentlich nur mal stellvertretend für alle auch Danke zu sagen, dass du da warst, dass diese vielen anderen Menschen da waren. Und vielleicht sind daraus auch ein paar Freundschaften entstanden. Das ist bestimmt auch möglich. Und vielleicht gibt es irgendwann nochmal einen Weg ins Ahrtal ohne Katastrophe, um das Ganze auch nochmal anders zu erleben.

Denise Heggblum | 00:42:28 Das wäre total schön.

Manuel Behrenbruch | 00:42:30 Danke, dass du bei uns warst.

Denise Heggblum | 00:42:31 Danke, dass ich da sein durfte. Ja,

Frank Nägler | 00:42:32 dem schließe ich mich an. Es hat mich gefreut, dass du da warst. Vielen Dank.

Veröffentlicht 12.03.2024 08:00
Dauer 00:42:57
Staffel 1 Folge 6
Gast Denise Heggblum
Diplom-Sozialpädagogin, engagierte Einsatzkraft in der Krisenintervention
Die einzige Hilfe in diesem Moment war, gemeinsam Hundefutterdosen zu putzen. Denise Heggblum